Bolivien: Selbsthilfe für Menschen mit Behinderung
Laut dem Weltbehindertenbericht der WHO und der Weltbank von 2011 leben rund 15 Prozent der Weltbevölkerung mit Behinderungen, das sind über eine Milliarde Menschen. In dem Bericht wird auch aufgezeigt, dass in vielen Ländern Behinderte benachteiligt und ausgegrenzt werden. Trotz rechtsgültiger UN-Konventionen sind vielerorts Gesetze zum Schutz und der Gleichstellung behinderter Menschen nicht verabschiedet oder nur unzureichend umgesetzt. Es fehlen finanzielle Mittel zur Unterstützung, der Zugang zu öffentlichen Diensten und Infrastrukturen ist begrenzt oder gar nicht vorhanden, Behinderte werden diskriminiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Auch in Bolivien.
Benachteiligung behinderter Menschen in Bolivien
Anfang bis Mitte 2016 kam es in den bolivianischen Städten Cochabamba und La Paz zu Demonstrationen, auf denen behinderte Menschen auf ihre prekäre Situation aufmerksam machten und mehr Unterstützung forderten. Die Demonstranten warfen Präsident Evo Morales vor, seine Wahlversprechen nicht eingehalten zu haben. So müssten Behinderte bisher mit einer jährlichen Sonderzahlung von umgerechnet 130 Euro auskommen, und die Demonstranten wie auch viele Organisationen verlangten eine Anhebung des Satzes. Weiter bemüht sich der Staat nicht um die Inklusion behinderter Kinder in das Bildungswesen, obwohl dies ein Gesetz von 2010 bestimmt. Laut dem WHO-Bericht gehen nur 40 Prozent der behinderten Kinder zwischen 6 und 11 Jahren in eine Schule. Viele der betroffenen Mädchen und Jungen, vor allem in ländlichen Regionen, werden aus Angst und Scham versteckt und vernachlässigt. Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zeigt sich in sozialer Isolation, in fehlendem Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildung und Arbeit und durch Armut. Noch immer haben Behinderte in Bolivien kaum Zugang zu den staatlichen Leistungen des Gesundheits- und Bildungswesens. Es gibt nur wenige Programme für die Prävention, Früherkennung und Behandlung von Behinderungen.
Präsenz von Behindertenorganisationen
Eine wichtige Rolle im Kampf um Gleichstellung, der Einforderung der Rechte und Überwachung der staatlichen Maßnahmen nehmen Behindertenorganisationen und die Betroffenen selbst ein. Von ihrem Engagement hängt maßgeblich ab, ob und wie erfolgreich die staatlichen Programme und Leistungen umgesetzt werden. Mit politischer Einflussnahme kann das Verhalten der lokalen und nationalen Institutionen bestimmt werden.
Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, fördert seit 2004 die Arbeit mit Behinderten in Bolivien. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der Schaffung, Stärkung und Qualifizierung von Behindertenorganisationen, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen behinderter Menschen und die Einforderung ihrer Rechte einsetzen. Nur mit einer starken Interessenvertretung gegenüber Politik und Institutionen kann sich die Lage der Betroffenen nachhaltig und positiv ändern.
November 2016