Krieg und Krise in Mali
Mali, das ehemals demokratische Musterland im Sahel, steht mit dem erneuten Putsch von Mai 2021 und dem seit zehn Jahren anhaltenden Vormarsch dschihadistischer Gruppen mitten in einer schweren Krise.
- Anfang 2022 gab die vom Militär dominierte Regierung bekannt, die für Februar 2022 geplanten Wahlen und die damit verbundene Rückkehr zur Demokratie um bis zu fünf Jahre zu verschieben.
- Die Westafrikanische Wirtschaftsunion ECOWAS will die malische Mitgliedschaft aussetzen. Das bedeutet, der Warenhandel wird erschwert und dringend benötigte Lebensmittel werden teurer und knapp.
- Hinzu kommt der im Februar 2022 angekündigte Abzug der französischen Truppen.
All diese Entwicklungen erschweren die Hilfe, die der leidtragenden Bevölkerung über humanitäre Organisationen zukommt. Auf die ist die zivile Bevölkerung allerdings angewiesen: Laut UN sind 7,5 Millionen Menschen in dem Sahelstaat Mali auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sie können infolge verbreiteter Unsicherheit und wegbrechender Märkte nicht mehr für sich selbst sorgen. Das Land mit 20,5 Millionen Einwohner_innen steht beim Index für Menschliche Entwicklung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) von 2020 auf Platz 184 von 189 Ländern.
Der Putsch nach dem Putsch
Am 24. Mai 2021 wurden Übergangspräsident Bah N'Daw und Ministerpräsident Moctar Ouane von Militärs festgenommen und, wie im August 2020 der damalige Präsident Ibrahim Boubakar Keita, in ein Militärcamp gebracht. Bereits der Putsch in Mali von August 2020 hatte vor allem das Leben der Menschen in der Hauptstadt Bamako stark getroffen, während in vielen ländlichen Regionen des Sahelstaates der Alltag irgendwie weiterging, trotz der Unsicherheit um die politische Zukunft. Doch es mehrten sich Überfälle und bewaffnete Kämpfe. Mit dem erneuten Putsch ist die Lage so angespannt wie noch nie während des letzten Jahrzehnts. Aktuell wird die Arbeit unserer Projektpartner in Mali in keiner Weise vom Putsch direkt beeinträchtigt. Dennoch sehen unsere Partner mit einiger Sorge in die Zukunft.
Versorgungsengpässe befürchtet
So muss in den nächsten Wochen und Monaten mit weiteren erheblichen Versorgungsengpässen gerechnet werden. Denn aufgrund der Grenzschließungen und Sanktionen ist der Warenverkehr nur noch eingeschränkt möglich. Die malische Bevölkerung, vor allem die Ärmsten, werden darunter am meisten leiden. Caritas international steht mit seinen Projektpartnern in Mali in ständigem Austausch über die soziale Lage der Bevölkerung.
Die EU wie auch die Bundesregierung drängen auf eine baldige zivile Übergangsregierung, während die Putschisten bis zu fünf Jahre die Regierungsgeschäfte führen wollen. Das politische Ringen erhöht die Unsicherheit der Bevölkerung im Land. Umso wichtiger ist es, dass Caritas international seinen Projektpartnern verlässlich zur Seite steht.
Mit der Unsicherheit leben
Seit nunmehr zehn Jahren sind weite Gebiete im Norden Malis durch Bürgerkrieg, Anschläge, Übergriffe und Willkür unsicher geworden. Die Lage in Mali war bereits vor dem Putsch von 2020 und dem erneuten Putsch 2021 alles andere als sicher. Regulär hätte die parlamentarische Wahl bereits 2018 stattfinden sollen, es gab Wahlen kurz vor dem Putsch. Wegen der fragilen Sicherheitslage wurde sie mehrfach verschoben. Im Norden und auch im Zentrum des Landes kämpft die Regierung seit 2012 mit dschihadistischen Milizen um die Macht. Zudem bekämpfen sich verschiedene Dschihadistengruppen teilweise untereinander.
Auch die Gewalt gegen Zivilisten hält an, immer wieder kommt es zu tödlichen Anschlägen. Im April 2018 mussten nach drei Anschlägen in der südostlichen Region des Landes 59 Todesopfer beklagt werden. Bei Angriffen mutmaßlich islamistischer Rebellen sind im Dezember 2021 in Mali und Niger etwa 140 Menschen umgekommen. Statt gezielter Attacken gegen militärische Einheiten wurden zunehmend Massaker an der Bevölkerung mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern verübt.
Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im April 2013 beschlossen hatte, eine Stabilisierungsmission in Mali zu stationieren, keimte wieder Hoffnung auf unter den zahlreichen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen. Nach dem Friedensabkommen von Juni 2015 spielen Geflüchtete mit dem Gedanken der Rückkehr. Nach dem Putsch 2020 und 2021 sowie dem angekündigten Abzug der französischen Truppen und neuerlichen Anschlägen rückt dieser Wunsch in weitere Ferne.