Eine Schule für alle
Lola ist neun Jahre alt, besucht die dritte Klasse einer Grundschule und heißt eigentlich Parivash. Dass sie sich selbst Lola nennt, läge daran, dass sie als kleines Kind ihren wirklichen Namen nicht aussprechen konnte, erzählt ihre Mutter Ozodakhon Issroilova (40). "Überhaupt konnte Lola nicht sprechen, sie klebte nur an meinem Bein. Ich merkte, dass sie sich anders benimmt und auch anders aussieht als andere Kinder in ihrem Alter", berichtet Lolas Mutter. Eine Sozialarbeiterin von Maksad, einer Partnerorganisation der Caritas im Norden Tadschikistans, klärte sie auf, als ihre Tochter drei Jahre alt war: Lola hat Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom.
„Eine Schande für die Familie“
Wer Lola heute beobachtet, kann sich nicht vorstellen, dass dieses Kind früher still und schüchtern gewesen sein soll. Lola redet wie ein Wasserfall und strotzt vor Selbstbewusstsein. Sie stellt sich vor eine Gruppe fremder Menschen, um ein Gedicht aus der Schule vorzutragen, sie tanzt, spielt und lacht. "Manchmal bitte ich sie, mir zu helfen. Dann gebe ich ihr ein bisschen Geld und sie wirft sich ihr gelbes Einkaufstäschchen über die Schulter und geht für mich einkaufen", berichtet Ozodakhon Issroilova. "Ich glaube nicht, dass Lola sich vor anderen neunjährigen Kindern verstecken braucht - und das tut sie auch nicht."
Doch hinter Lola und ihrer Mutter liegt ein langer Weg. "Mein Mann hat mich verlassen, seine Familie hat mich verstoßen. Lola sei eine Schande für die Familie, haben sie gesagt." Doch Ozodakhon Issroilova stand immer zu ihrer Tochter, meldete sie im Kindergarten an, obwohl viele Eltern protestierten. "Sie wollten nicht, dass ihre Kinder mit einem behinderten Mädchen spielen", erinnert sie sich.
Wichtige Unterstützung einer Sozialarbeiterin
All das ignorierten sie beide. Unterstützt wurden sie von Firuza Boboeva, der Sozialarbeiterin von Maksad. Lolas Mutter konnte verschiedene Fortbildungen besuchen, lernte alles über Trisomie 21 und nimmt bis heute jede Woche an einem Müttertreffen teil, bei dem sie sich mit anderen Müttern von Kindern mit Behinderung austauscht. Als sie merkte, wie gut sie ihrer Tochter helfen konnte, ließ sie sich sogar zur Sozialarbeiterin ausbilden.
"Heute helfe ich anderen Müttern, die in derselben verzweifelten Situation stecken wie ich damals. Zuvor war ich mein ganzes Leben Hausfrau. Heute bin ich stolz darauf, einen Beruf zu haben. Da muss ich mich bei meiner Tochter bedanken", sagt sie lachend. Die Arbeit von Ozodakhon Issroilova und den anderen Sozialarbeiterinnen ist wichtig, denn in der tadschikischen Gesellschaft werden Kinder mit Behinderung noch immer häufig versteckt. "Dabei ist doch klar: Je früher man Kinder mit Down-Syndrom fördert, desto eher können sie später normal leben. Leider tun die meisten Eltern von Kindern mit Behinderung hier gar nichts, um ihr Kind zu fördern", weiß sie.
„Die Caritas bedeutet Gleichstellung“
Mittlerweile besucht Lola die dritte Klasse einer inklusiven Schule. Für Lola ist das möglich, weil sie eine Mutter hat, die ihr ganzes Leben lang bedingungslos hinter ihr stand.
Möglich wurde es aber auch, weil die Sozialarbeiterin unserer Partnerorganisation eines Tages vor ihrer Tür stand und Unterstützung anbot. Ozodakhon Issroilova resümiert: "Die Caritas bedeutet für mich Gleichstellung. Lola ist meine Tochter, ein gleichwertiges Mitglied unserer Gesellschaft. Das ist für mich unbezahlbar: dass man uns als gleich betrachtet und meine Tochter nicht isoliert wird."