Mpox-Ausbruch im Kongo: Caritas-Gesundheitsexperte berichtet über die Situation
Ein Beitrag von Dr. Amédée Yambi
Programmbeauftragter bei Caritas Kongo
03. September 2024 / Lesedauer: 4 Minuten
Caritas international: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Kongo in Bezug auf den Ausbruch des Mpox-Virus ein? Wie wird sich die Situation Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?
Dr. Amédée Yambi: Die Situation des sogenannten Monkeypox-Virus (Mpox) in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) ist sehr besorgniserregend. Was mir Sorge macht, ist die schnelle Ausbreitung in unserem Land und die Meldung von Fällen in mehreren Nachbarländern. Hinzu kommt die Letalitätsrate, die in der DR Kongo bei deutlich über drei Prozent liegt. (Die Letalitätsrate bezeichnet den Anteil der erkankten Personen, die an der Erkrankung in einem bestimmten Zeitraum versterben, Anm. der Redaktion).
Die Situation droht sich katastrophal zu entwickeln, weil die Mittel, die für Gegenmaßnahmen zur Verfügung stehen, mit der Ausbreitung der Epidemie nicht Schritt halten können. Ich beobachte, dass das tatsächliche Ausmaß von Mpox und die Geschwindigkeit seiner geografischen Ausbreitung in der DR Kongo noch immer unterschätzt werden. Das liegt auch daran, dass das Überwachungssystem hierzulande unzureichend ausgestattet ist. Daher ist mehr technische und auch finanzielle Unterstützung wichtig.
Mpox-Krise im Kongo: Es fehlen die Mittel
Wie ist die Lage in den Flüchtlingslagern im Osten des Landes?
Yambi: In den Flüchtlingslagern gibt es Mpox-Fälle, aber leider sind auch dort die Interventionen unzureichend. Einige unserer Partnerorganisationen arbeiten in den Flüchtlingslagern - sie helfen in den Bereichen medizinische Versorgung, psychosoziale Betreuung und Ernährungssicherung. Aber schon für diese wichtige Hilfe fehlen oft die Mittel, weil die Situation im Kongo zu den vergessenen Krisen gehört und wenig internationale Aufmerksamkeit bekommt. Das Mpox-Virus wird die Lage und die humanitäre Lage wohl noch verschärfen.
Wie können Sie als Arzt und Spezialist für öffentliche Gesundheit helfen?
Yambi: Ich bin Teil eines Gesundheitskomitees, das aus Expertinnen und Experten extra für die Mpox-Krise gegründet wurde. Unsere Aufgabe ist es, die Bevölkerung über die Krankheit aufzuklären und Strategien zur Bekämpfung der Epidemie zu entwickeln. Wir sind dabei, einen integrierten nationalen Bereitschafts- und Reaktionsplan für die Mpox-Virus-Epidemie in der DR Kongo zu erstellen und bei der Regierung und bei anderen technischen und finanziellen Partnern für die Mobilisierung von Mitteln zu werben, um die Verbreitung des Virus in der kongolesischen Bevölkerung zu begrenzen. Unser oberstes Ziel ist es, die Leben der infizierten Personen zu retten und die gefährdeten Personen zu schützen.
Inwieweit sind die Projekte der Caritas betroffen - wie kann sie helfen?
Yambi: Die Stärke der Caritasorganisationen im Kongo ist, dass sie lokal gut vernetzt sind. Wir haben im Land mehrere Partner und Projektstandorte. Dieses Netzwerk nutzen wir jetzt, um die Bevölkerung über das Virus zu informieren. Gleichzeitig setzen wir uns bei unseren internationalen Partnern für die Mobilisierung von Mitteln ein, um in den betroffenen Gebieten tätig zu werden.
Was ist Ihrer Meinung nach wichtig, um die Krise einzudämmen? Gehen wir vom Idealfall aus: Was müsste jetzt getan werden?
Yambi: Wir müssen uns jetzt auf die Prävention von Mpox und die ganzheitliche Behandlung der Kranken konzentrieren. Die Regierung, genauer gesagt das Gesundheitsministerium, muss ausreichende Mittel für gute Gegenmaßnahmen mobilisieren. Außerdem sollten mehrere Gemeindegesundheitshelfer und Gemeindeagenten für Tiergesundheit in Risikokommunikation geschult werden, um die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Eine Intensivierung der Kommunikation und mehr Informationen über die Bekämpfung von Mpox sind unerlässlich - auch um das Vertrauen der Leute in das Gesundheitssystem zu stärken.
Zum idealen Vorgehen würde auch gehören, die epidemiologische Überwachung auszubauen. Wir brauchen in der DR Kongo schnell zuverlässige Daten, um die Früherkennung von neuen Fällen zu gewährleisten und eine Behandlung sicherzustellen. Auch müssen wir weiterhin die Kontaktpersonen überwachen, um die schnelle Ausbreitung der Epidemie zu verhindern. Das geht Hand in Hand mit einer Vergrößerung der Diagnosekapazitäten in den Laboren, insbesondere in den Provinzen. Eine materielle und personelle Unterstützung wäre hier dringend erforderlich, um die Untersuchungen der Mpox-Proben schnell durchführen zu können.
In den betroffenen Gebieten bräuchten wir zudem mehr Behandlungszentren, um die klinische Versorgung während des Ausbruchs aufrechtzuerhalten. Es müsste außerdem sichergestellt werden, dass das lokale Gesundheitspersonal (Ärzte, Krankenschwestern, Gemeindegesundheitshelfer) ordnungsgemäß in der Behandlung von Mpox geschult werden. Auch gehören mobile Teams zusammengestellt, die in betroffene Gebiete geschickt werden können, wenn Patientinnen und Patienten zu weit von den Behandlungszentren entfernt wohnen. Und wir müssten die Infektionsprävention und -kontrolle in den Gemeinden stärken - beispielsweise durch verbesserte sanitäre Anlagen. Die psychosoziale Betreuung der Betroffenen wäre ein weiteres unerlässliches Element bei der Behandlung der Fälle.
Wie erleben die Kongolesinnen und Kongolesen die Epidemie? Wird viel darüber gesprochen, sind die Menschen besorgt?
Yambi: Natürlich sprechen die Kongolesen darüber. Sie wissen von der Epidemie, manche haben Angst. Es gibt sogar einige Eltern und Politiker, die den Minister für Primar- und Sekundarschulbildung aufforderten, den für Anfang September geplanten Schulbeginn zu verschieben.
Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen?
Yambi: Es sind die schnelle Ausbreitung dieser Epidemie und die Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, die mir große Sorgen machen: Die finanziellen Mittel, um die Gegenmaßnahmen in allen betroffenen Provinzen zu gewährleisten, sind unzureichend. Es werden aktuell die Provinzen bevorzugt behandelt, die viele Fälle gemeldet haben (Ecuador und Süd-Kivu), aber die Bevölkerung in allen Provinzen der DR Kongo ist gleichermaßen gefährdet. Die Kapazitäten von Laboren und die Mengen an Probeentnahme-Kits sind zu gering, hinzu kommen Schwierigkeiten bei dem Transport von Proben für eben jene Provinzen, die nicht über genügend Laborkapazitäten verfügen. Es mangelt an Treibstoff für die Mobilität der Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes und auch die Versorgung mit Medikamenten, Nahrungsmitteln und psychosozialer Unterstützung ist nicht flächendeckend gegeben. Hinzu kommt die vielerorts schlechte Internetverbindung, die den Informationsfluss von den Provinzen zur zentralen Ebene weiter beeinträchtigt.
Zur Arbeit der Caritas in der Region
Caritas international unterstützt in der DR Kongo insbesondere die Caritas Goma im Gesundheitsbereich. Von dort erreicht uns die Nachricht, dass bereits einige Mpox-Fälle in dem Vertriebenenlager Lushaghala registriert wurden, in dem die Caritas-Helfer_innen tätig sind. Die Caritas Goma hilft bei der Aufklärung über Präventivmaßnahmen und bei der Überweisung von Mpox-Verdachtsfällen an die Gesundheitseinrichtungen vor Ort. Finanziert durch Caritas international betreibt die Caritas Goma eine mobile Klinik in dem betroffenen Camp.
Auch im Süd-Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik klären die Caritas-Mitarbeitenden die Bevölkerung im Rahmen der dort laufenden Gesundheitsprojekte über das Mpox-Virus auf. Darüber hinaus ist Medmissio, das Institut für Gesundheit weltweit, von Caritas international beauftragt, die Partnerorganisationen im Kongo im Rahmen der Gesundheitsprojekte fachlich - allgemein und auch zu Mpox - zu beraten.
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