Bangladesch: Netzwerke für Straßenkinder
Rafiqs Traum
Rafiq Ahmad ist 14 Jahre alt und lebt als Straßenkind in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Der aufgeschlossene Junge riss vor sieben Jahren von Zuhause aus. Er konnte die Armut seiner Familie nicht mehr ertragen. Vater und Mutter arbeiten in den Wäldern bei Chittagong, fällen Bäume und verkaufen Feuerholz. Doch damit lässt sich eine sechsköpfige Familie nur schlecht ernähren.
Also machte sich Rafiq auf den Weg in die Hauptstadt. Unglaublich für einen Jungen von gerade einmal sieben Jahren. Er ließ nicht nur seine Eltern, sondern auch seine drei Brüder zurück, die heute 10, 12 und 19 Jahre alt sind. „Ich bin zum Anlegeplatz für die Fluss-Passagierschiffe gelaufen. Dort gibt es überdachte Plätze. Ich hoffte, dort in Ruhe nachts schlafen zu können. Doch die Polizei hat mich immer wieder geschlagen. Das wenige Geld, das ich mit Betteln und Gelegenheitsarbeiten verdient habe, wurde mir oft nachts gestohlen“, erzählt er.
Heute sieht man ihm die Strapazen dieser Zeit nicht mehr an. Rafiq hat sich inzwischen erholt. Das liegt zum einen daran, dass er seit einiger Zeit etwas bessere Jobs hat, zum Beispiel als Helfer auf dem Gemüsegroßmarkt oder als Zeitungs- und Wasserverkäufer. Zum anderen liegt es an Baraca, der Organisation, die in einem Brennpunkt der Hauptstadt ein Straßenkinderzentrum betreibt. Rafiq ist seit eineinhalb Jahren fast täglich hier und schätzt die Einrichtung sehr „Hier bekomme ich was zu essen, kann mich waschen und sie wollen mir sogar helfen, in Zukunft eine gute Arbeit zu finden“, berichtet er begeistert.
„Es liegt viel an Rafiq selbst“
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gehen tatsächlich sehr individuell auf jedes der täglich rund 50 bis 70 Kinder ein, die hierherkommen. Sie versuchen, Lücken in Lese- und Schreibfähigkeiten zu füllen und jüngere Kinder sogar wieder zurück in staatliche Schulen zu bringen.
Rafiq will einen Handy-Reparatur-Shop aufmachen. Keine leichte Sache für einen Straßenjungen. Doch Chotton Obaed, der Leiter des Zentrums, überlegt schon seit Monaten, wie der Plan aufgehen könnte. Es reizt ihn, für seine Kinder Dinge möglich zu machen, die eigentlich unmöglich sind. „Rafiq ist ein schlauer Junge. Er hat sich jahrelang über Wasser gehalten in dieser Umgebung. Er ist stark. Ich überlege mit ihm, wie sein Traum in Erfüllung gehen könnte. Dazu muss er noch eine ganze Weile mit uns in Kontakt bleiben. Bis er 18 wird, haben wir vielleicht eine Idee, wie das mit dem Handy-Shop klappt. Ich kenne so viele Leute hier. Wir sind sehr gut vernetzt und werden respektiert. Es liegt eben auch viel an Rafiq selbst. Er muss weiter lernen. Bald fangen wir an, ihm die wichtigsten Grundlagen beizubringen, wie man einen Laden betreibt“, erzählt Chotton Obaed.
360° Video: Rafiq führt uns durch die Straßen Dhakas