Irak: Hilfe für die Vertriebenen
Irak: mehr Krieg als Frieden
Es gibt Menschen im Irak, die kennen den Kriegszustand besser als den Frieden. Auf den ersten Golfkrieg, der auch als Iran-Irak-Krieg bezeichnet wird (1980-1988), folgte bereits 1990 der zweite Golfkrieg, bei dem irakische Truppen unter Machthaber und Diktator Saddam Hussein in Kuwait einmarschierten und dieses offiziell zur 19. Provinz erklärten. Durch Druck des damaligen US-Präsidenten George Bush Senior entschied sich die UN zu einer klaren Linie und machte mit der Verabschiedung der Resolution 678 den Weg für die UN-Intervention mit dem Operationsnamen "Desert Storm" (Aktion Wüstensturm) frei. Dabei bombardierten Truppen gezielt strategische Ziele im Irak, bevor alliierte Bodentruppen am 24. Februar 1991 einmarschierten.
Der insgesamt rund sechs Wochen andauernde Krieg zerstörte wichtige Infrastruktur und warf das Land in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurück. Auch das in Folge der Kuwaitannexion eingeführte und auch nach Kriegsende fortbestehende Wirtschaftsembargo der Vereinten Nationen traf den Wüstenstaat nachhaltig.
Als 2003 der dritte Golfkrieg losbrach, war das Land bereits tief gespalten. Die USA begründeten ihren Einmarsch mit angeblichen Massenvernichtungswaffen des Iraks. Man wolle einem Angriff aufs eigene Land zuvorkommen, lautete die offizielle Erklärung, mit der die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Großbritannien und einer "Koalition der Willigen" - allerdings ohne UN-Mandat - im Irak einmarschierten. Die Behauptung der USA stellte sich nach Kriegsende jedoch als falsch heraus: bis heute gibt es keine Hinweise, dass der Irak 2003 über Massenvernichtungswaffen verfügte. Der Krieg und seine Folgen kosteten Forschern zufolge beinahe eine halbe Million Iraker das Leben. Nach Angaben der UN kamen alleine im Jahr 2016 rund 6900 Zivilpersonen bei Anschlägen ums Leben.
Mit dem Sturz des Baath-Regimes, an dessen Spitze Diktator Saddam Hussein stand, installierten die USA zwar ein neues politisches System - die strukturellen Probleme konnten sie damit aber nicht beheben. In der Bevölkerung wurden die USA größtenteils als Besatzungsmacht und nicht etwa als "Befreier" wahrgenommen. Zudem gilt die politische Elite im Irak als korrupt und zerstritten.
Vertriebene im eigenen Land
Erst 2011 - nach rund acht Jahren - legten die US-Amerikaner die militärische Kontrolle wieder komplett in irakische Hand. Das durch den Abzug der Besatzer entstandene Machtvakuum ermöglichte jedoch Terrorgruppen und Extremisten wie dem sogenannten "Islamischen Staat" (IS) den Aufstieg. Mit dessen Auftauchen 2014 verschlechterte sich die humanitäre Situation der Menschen noch einmal drastisch. Zu ihrer Hochphase schaffte es die Terrormiliz fast ein Drittel des Iraks unter ihre Gewalt zu bringen. Mehr als drei Millionen Menschen mussten fliehen und leben seither als Vertriebene im eigenen Land. Viele flohen auch ins Ausland. Allein in Deutschland lebten 2022 knapp 285.000 Menschen irakischer Herkunft.
Durch eine gemeinsame Koalition des Westens, die Luftangriffe gegen IS-Stützpunkte flog, konnte dieser zurückgedrängt werden. Die militärischen Operationen - vor allem die Offensive zur Rückeroberung der Stadt Mossul 2017 - zwangen allerdings erneut unzählige Menschen zur Flucht. Ein großer Teil der Zivilbevölkerung Mossuls wurde durch die anhaltenden Kämpfe in der Stadt eingekesselt: Augenzeugen berichteten sogar davon, dass der IS Menschen an der Flucht gehindert habe, indem Kämpfer die Bewohner in ihren Häusern eingeschlossen hätten, um sie als "menschliche Schutzschilde" zu benutzen. Aber nicht nur dem IS, auch der irakischen Armee wird vorgeworfen, schwere Verbrechen an Zivilisten verübt zu haben.
Gewaltsame Unruhen während Regierungsbildung
Auch nach dem offiziellen Sieg über den IS gelten scharfe Sicherheitswarnungen für den Irak, denn die politische Lage ist weiterhin fragil. 2019 wurde die Regierung durch zivile Massenproteste gestürzt. Im Zuge der daraufhin vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober 2021 kam es in Bagdad und auch in anderen Städten teils zu gewaltsamen Protesten und Ausschreitungen. Sogar Raketen flogen. Seit Oktober 2022 ist die neue Regierung unter Ministerpräsidenten Mohammed Schia al-Sudani im Amt bestätigt. Sudani sicherte zu, gegen die "angehäuften Krisen" im Irak vorgehen zu wollen. Doch mittlerweile zeigt sich, dass es keinen politischen Neuanfang und kein Ende des Klientelpolitik geben wird.
Die Versorgung der vielen Binnenvertriebenen im Land und die Rückkehr von Minderheiten wie Christen und Jesiden in ihre teils schwer zerstörten Heimatorte bleiben hierbei eine große Herausforderung. Gastgemeinden, die bereitwillig Flüchtlinge aufgenommen haben, sind am Rande ihrer Belastbarkeit angelangt und benötigen dringend Unterstützung. Die Kriege und Krisen haben für die Menschen auch psychische Folgen, wie Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen. Da es im Irak nur wenige Psychiater gibt, können viele psychischen Krankheiten jedoch nicht behandelt werden. Dazu kommen die Folgen der Klimakrise: Dürre und Wassermangel nehmen zu, was mittelfristig auch die Nahrungsmittelversorgung beeinträchtigen wird. 2022 fegten dutzende Sandstürme über das Land. Weil sich die Wüsten ausbreiten und weniger Bäume und Sträucher wachsen, nehmen die Sandstürme in ihrer Anzahl und ihrem Ausmaß zu.
Ein langfristiges Engagement und humanitäre Hilfe sind daher weiterhin dringend nötig, aber viele Hilfsorganisationen haben den Irak verlassen. Nur noch wenige irakische Hilfsorganisationen wie die "Caritas Irak" leisten noch soziale und humanitäre Hilfe vor Ort. Umso wichtiger ist es, diese Hilfe nicht abbrechen zu lassen und sie mit Spenden zu unterstützen.