Ihre Fragen und unsere Antworten zum Konflikt im Libanon
Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Wir helfen Menschen in Not, egal welcher Religion sie angehören oder woher sie kommen.
Wie schätzt Caritas international die Lage vor Ort ein?
Die aktuelle Krise verschärft die bestehenden Probleme im Land, darunter die schlechte sozioökonomische Lage. Diese hatte sich unter anderem nach der der Explosion im Beiruter Hafen im Jahr 2020 und durch die Corona-Pandemie noch weiter verschlechtert. Die aktuelle Gewalteskalation führt zu noch mehr Armut und humanitärer Not. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Die Zahl der intern Vertriebenen ist seit der Eskalation im Oktober 2023 auf über eine Million gestiegen - unter anderem auch deswegen, weil sich schon vor der aktuellen Krise hunderttausende syrische Flüchtlinge im Land aufhielten. Für die Menschen, die jetzt auf der Flucht sind, mangelt es an Nahrungsmitteln, Unterkünften und medizinischer Versorgung.
Unsere Fachkraft, die kürzlich aus Beirut evakuiert wurde und nun von Deutschland aus die Hilfen koordiniert, berichtet von furchtbaren Zuständen. Ihre Sorge gilt insbesondere Menschen mit Behinderung, Frauen, Kindern und älteren Menschen, die nicht mehr mobil sind und die dringend mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden müssen.
Welche konkreten Zahlen gibt es?
- Die Zahlen unterliegen einem ständigen Wandel und es gibt gerade bei der Zahl der Vertriebenen hohe Dunkelziffern.
- 50% des Südlibanon sind stark zerstört.
- Die libanesische Regierung spricht von ca. 1 Million Vertriebenen seit Beginn der Konflikthandlungen im Oktober 2023, was bedeutet, dass ungefähr jeder 5. Mensch auf der Flucht ist.
- Es sind laut libanesischer Regierung ca. 300.000 Menschen über die Grenze nach Syrien geflohen, ca. 30% davon waren Libanesen_innen, ca. 70% Syrer_innen. Ca. 40 bis 50% der Geflohenen sind unter 18 Jahre.
- Es existieren derzeit 877 Notunterkünfte. Die Mehrheit davon ist jedoch schon überfüllt. Die Caritas-Partnerorganisationen versorgen die Geflüchteten in den Notunterkünften und darüber hinaus.
Mit welchen Partnerorganisationen arbeitet Caritas international im Libanon zusammen?
Caritas international stellte Ende September 2024 50.000 Euro für die Nothilfe-Programme im Libanon zur Verfügung. Das Geld geht an unsere vertrauenswürdigen Partnerorganisationen vor Ort, Amel Association International und Caritas Libanon.
Amel Association International
Das Nothilfeprojekt unserer Partnerorganisation Amel richtet sich an 500 Binnenvertriebene (Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben sind), darunter 50 Prozent Frauen, ältere Menschen und Kinder. Amel versorgt die Vertriebenen in Notunterkünften mit Lebensmitteln, Wasser, Hygieneartikeln, Decken, Matratzen, Medikamenten und Kleidung.
Auch viele Mitarbeitende von Amel sind von der aktuellen Situation betroffen und mussten ebenfalls fliehen. Trotzdem helfen sie weiter.
Neben Verteilung von Hilfsgütern in den Notunterkünften, leistet Amel auch medizinische und psychologische Hilfe über Gesundheitszentren und mobilen Einheiten. Die Mitarbeitenden machen auch Hausbesuche, um Senior_innen und Senioren zu betreuen, die nicht fliehen können.
Caritas Libanon
Caritas Libanon ist unserer zweiter Projektpartner vor Ort. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen in Kirchen, Universitäten und Schulen, die zu Notunterkünften umfunktioniert wurden.
Caritas Youth wird als Freiwilligen-Organisation eingebunden. In den Notunterkünften werden warme Mahlzeiten, Brot, Wasser, Matratzen und Kleidung verteilt.
Die Hilfen beider Caritaspartner haben an rund 40 unterschiedlichen Standorten bereits über 30.000 Menschen erreicht. (Stand Anfang Oktober 2024)
Wie stellen Sie sicher, dass Spenden und Hilfsgüter nicht in die falschen Hände geraten?
Im Libanon stellen wir durch die langjährige Zusammenarbeit mit unseren lokalen und sehr erfahrenen Partnern Caritas Libanon und Amel sicher, dass die Hilfen nicht in die falschen Hände geraten. Wir können dank der Erfahrung sowie der hohen Qualitätsansprüche unserer Partnerorganisationen sicherstellen, dass unsere Hilfen ausschließlich an die notleidende Zivilbevölkerung verteilt werden. Da unsere Partner schon lange im Libanon aktiv sind, verfügen sie über Listen von Menschen in Not, deren Hilfsbedürftigkeit überprüft wurde und gesichert ist. Diese Menschen bekommen Hilfe.
Was können wir für Menschen tun, die Verwandte aus dem Libanon nach Deutschland holen wollen?
Leider ist das nicht unser Mandat. Wir kümmern uns um die Menschen in Not, die vor Ort sind.
- Die Deutsche Botschaft in Beirut ist weiterhin geöffnet und nach Angaben des Auswärtigen Amtes voll arbeitsfähig. Tagesaktuelle Informationen dazu: Seite der Deutschen Botschaft Beirut, bzw. auf den Seiten des Auswärtigen Amtes.
- Das Büro des Family Assistance Programm von IOM in Beirut hat seit gestern geschlossen. Aktuelle Informationen zu IOM-FAP im Libanon finden sich stets auf der Facebook-Seite von IOM-FAP, in englischer und arabischer Sprache.
- Eine Evakuierung aus dem Libanon für deutsche Staatsangehörige und deren Familien durch die Bundeswehr ist laut AA nicht geplant. Deutsche Staatsangehörige und Personen mit deutscher Aufenthaltserlaubnis/Visa sollen selbstständig ausreisen.
- Es gibt derzeit keine Notfall-Visa oder beschleunigte Visaverfahren für die Familienangehörigen von deutschen Staatsbürger_innen im Libanon. Eine "normale" Visumsbeantragung (nationale Visa und Schengen-Visa) ist weiterhin möglich. Weitere Informationen erhalten Sie hier: Deutsche Botschaft Beirut - Auswärtiges Amt (diplo.de)
- Migrationsberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände auf lokaler Ebene in Deutschland können Sie über adressen.asyl.net oder BAMF-NAvI - Migrationsberatung finden. Zudem bietet die Caritas im Bereich Migration und Integration eine Onlineberatung an.
Warum sollen wir Deutschen für die Menschen im Libanon spenden, wo es doch im Arabischen Raum so viele Reiche gibt?
Die nationale Caritas erhält aufgrund der Finanzkrise kaum Spenden von libanesischer Seite und ist deswegen stark auf die Hilfe von außen angewiesen.
Schon vor dem Beginn des Konflikts war die Bevölkerung im Libanon auf Hilfslieferungen aus dem Ausland angewiesen und ist es aktuell noch viel mehr. Das Land befindet sich seit fünf Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise, die mit dem Zusammenbruch des Bankensektors 2019 einherging. Hinzu kommt, dass der Libanon über eine Million Geflüchtete unterstützt. Hinzu kommen die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie und die große Hafenexplosion 2020. Heute sind Hunderttausende Menschen im Land durch den Konflikt vertrieben und benötigen Unterstützung bei Unterkünften, der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Was die Situation aktuell besonders verschärft: Im Vergleich zum Krieg 2006 gibt es kaum Spenden. Viele Libanes_innen beschreiben die Situation als weitaus schlimmer als zuvor.