Krieg und Nachkriegskrisen in Sri Lanka
Soziale Konflikte führten in den 1960 und 1970 Jahren - nicht zuletzt aufgrund der bereits damals hohen Arbeitslosigkeit - zu gewalttätigen Übergriffen zwischen Militär und Jugendlichen. Nicht die ethnische Herkunft, sondern die Perspektivlosigkeit der gut ausgebildeten Jugendlichen war 1971 Auslöser für die ersten Aufstände radikaler Gruppierungen. Als Armee und Polizei mehrere tausend Jugendliche - meist singhalesischer Herkunft - ermordete, eskalierte der Konflikt. Auf tamilischer Seite forderten bald mehrere Parteien einen eigenen tamilischen Staat im Norden und Osten des Landes. Nach internen bewaffneten Kämpfen taten sich die Tamil Tigers hervor. Sie führten gegen die srilankische Regierung einen Guerillakrieg, der ebenso blutig beantwortet wurde. Zwischen der ersten Phase des Krieges (1979 bis 1989) und dem zweiten Krieg (1990 bis 1993) gab es nie wirklich Frieden. Die Phase von 1995 bis 2002 ist im Norden Sri Lankas als die Zeit des dritten Krieges bekannt, in der auch die Tamil Tigers Verbrechen an Tamilen begangen haben.
Nach einem nicht realisierten Waffenstillstand 2002 und einer Teilautonomie des Nordens verschärfte sich die Situation nach dem Tsunami 2004, als die Regierung Sri Lankas die internationalen Hilfslieferungen für Tsunami-Opfer teilweise blockierte. Als die EU 2006 die Tamil Tigers nach dem Vorbild der USA auf die Liste der "terroristischen Organisationen" setzte, fühlte sich die singhalesische Regierung in ihrem Vorgehen gegen die Tamilen gestärkt. Es kam zu blutigen Kämpfen. Augenzeugen berichteten, dass auch die Rebellen auf tamilische Zivilisten und Zivilistinnen schossen, die aus dem Kriegsgebiet flüchten wollten. Minderjährige wurden für den Kampf zwangsrekrutiert und an der Front eingesetzt.
Koloniale Wurzeln des Konfliktes
Um die "Perle des indischen Ozeans" gab es schon vor der Kolonialzeit Kämpfe zwischen singhalesischen und tamilischen Königreichen. Doch die Grundsteine für den Bürgerkrieg, der Mitte des 20. Jahrhunderts begann, wurden mit der europäischen Kolonialherrschaft gelegt. Die Briten verfolgten, nachdem sie 1815 das singhalesische Königreich gestürzt und in ihr Britisches Empire eingegliedert hatten, eine Politik nach dem Motto "teile und herrsche". Die meist schriftkundigen Tamilen wurden gegenüber den Singhalesen bevorzugt. Durch diese Privilegien gewannen die Tamilen ökonomische Vorteile. Bald nahmen weite Teile der singhalesischen Bevölkerung die Tamilen als Kollaborateure der Briten wahr.
Es folgen mehrere Bürgerkriege. Der erste Krieg hinterlässt 5.000 Tote und 100.000 Flüchtlinge, aber er führt nicht zu dem erhofften Frieden. Der Krieg endet 2009 mit der Niederschlagung der Tamilen. Die gesamte Bevölkerung des Nordens hat unter dem von beiden Seiten mit äußerster Härte geführten Krieg gelitten. Allein die letzte Großoffensive der Regierungstruppen gegen die tamilische LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam Movement) im Nordosten der Insel kostete nach UN-Angaben etwa 7.000 bis 8.000 Zivilisten das Leben. Insgesamt starben in dem 37 Jahre währenden Konflikt bis zu 100.000 Menschen. Rund 400.000 Menschen wurden vertrieben.
Soziale Folgen der Bürgerkriegszeit
Viele als Kollaborateure verdächtigte Tamilen wurden von den Militärs in so genannten Internierungslagern festgehalten. Erst nach einer "Umerziehung" ist ihnen erlaubt, in ihre Dörfer oder zu ihren Familien zurückzukehren. In dem stark militärisierten Norden fühlen sich viele Menschen weiterhin beschattet und können sich gegenüber Freunden und Verwandten nicht frei verhalten. Da das Versammlungsrecht stark eingeschränkt ist und ein Gesetz zur Verhinderung des Terrors die Militärs mit weitreichenden Sonderverfügungsrechten ausstattet, herrscht eine Atmosphäre großen Misstrauens. Diese Angst lähmt in vielen Gemeinden Prozesse der zivilen Friedensbildung.
Mai 2011