Ein Beitrag von Manuel Brettschneider
Referent für Brasilien bei Caritas international
08. März 2024 / Lesedauer: 1 Minute
Lediglich fünf Prozent der Weltbevölkerung sind indigener Herkunft. Dennoch befinden sich 80 Prozent der biologischen Vielfalt der Erde auf indigenem Land. Seit Jahrtausenden leben indigene Gemeinschaften im Einklang mit der artenreichen Natur, bewahren sie und sind eng mit ihr verbunden. Sie leben traditionell - teils nomadisch, teils sesshaft - in unterschiedlichen Ökosystemen wie den Polarregionen, Wüsten und Savannen, auf Inseln, im Hochgebirge oder im tropischen Regenwald. Jedoch sind ihre Lebensweise und ihr kulturelles Erbe durch die Klimakrise gefährdet. Denn die Lebensräume Indigener sind überdurchschnittlich häufig von den gefürchteten "Kipppunkten des Klimas" bedroht. Dazu gehören beispielsweise die plötzliche Umwandlung des Amazonasregenwaldes in eine Savanne, die Auflösung der Permafrostböden in Sibirien oder das Versinken von Pazifikinseln durch die Erhöhung des Meeresspiegels.
Gleichzeitig sind viele indigene Völker von Vertreibung bedroht. Denn der illegale Abbau von Rohstoffen auf ihrem Land, die in vielen unserer Alltagsprodukte enthalten sind, führt immer wieder zu gravierenden Land- und Umweltrechtsverletzungen. Diese oft von der Agrarindustrie geprägte Umnutzung des indigenen Landes führt nicht nur zu Vertreibungswellen, sondern auch zum Verlust ganzer Ökosysteme. Agrarkonzerne legen Feuchtgebiete trocken und fällen Wälder. Oft ist diese Form des Landraubs illegal oder die Legalisierung beruht auf Korruption der Entscheidungsträger. Schätzungen gehen davon aus, dass im brasilianischen Amazonasgebiet bis zu 90 Prozent der mit Sojaanbau und Viehhaltung verbundenen Abholzung illegal ist. Auch der illegale Goldabbau zerstört indigene Gebiete in Brasiliens Regenwald und verpestet die Flüsse mit Quecksilber, das große gesundheitliche Schäden anrichtet.
Indigene Gemeinschaften haben oft nicht die Möglichkeiten, sich physisch oder juristisch gegen diese Vielfalt an Unrecht zur Wehr zur setzen. Es mangelt ihnen an politischer Teilhabe und Repräsentation in offiziellen Ämtern. Sie sind wirtschaftlich marginalisiert und haben keinen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen. Noch dazu sind Indigene häufig von Rassismus und Diskriminierung betroffen. Aktivist_innen, die sich für indigene Gebiete und die Natur einsetzen, werden verfolgt und bedroht. Sie sind überdurchschnittlich oft Opfer von Gewaltverbrechen.
Auf der anderen Seite wächst die Bedeutung von indigenem Wissen in der internationalen Diskussion um Klimaschutz und nachhaltige Lebensweisen. Indigene Vertreter_innen sind inzwischen auf internationalen Konferenzen zu Klimaschutz und Biodiversität nicht mehr wegzudenken. Denn mehr und mehr wird klar, wie unverzichtbar die Beiträge indigener und anderer traditioneller Gemeinschaften zur Stabilisierung des Klimas und zum Erhalt der Artenvielfalt sind. So speichern beispielsweise die Wälder indigener Gemeinschaften mehr Kohlenstoff als andere Wälder. Und wo indigene Gemeinschaften über verbriefte Rechte über ihr Land verfügen, werden deutlich weniger Flächen abgeholzt als in anderen Gebieten. Indigene sind demnach beides: Betroffene der Klimakrise und gleichzeitig Experten mit umfassendem Erfahrungswissen im Umwelt- und Klimaschutzbereich. Sie können Lösungen bieten, die die Weltgemeinschaft derzeit so dringend benötigt.
Hinzu kommt, dass aus der Kolonialgeschichte, die von Ausgrenzung und Unterdrückung gegenüber indigenen Völkern geprägte ist, die Notwendigkeit erwächst, die indigene Stimme hörbarer zu machen und ihrer Perspektive mehr Raum und Wertschätzung entgegenzubringen. Wirksamer globaler Klima- und Biodiversitätsschutz muss mit einer stärkeren politischen Beteiligung indigener Gemeinschaften und dem Schutz und der Umsetzung ihrer territorialen und kollektiven Rechte einhergehen. Dies ist ein wichtiger Aspekt von Klimagerechtigkeit. Länder wie Deutschland müssen daher ihrer Verantwortung beim Klimaschutz nachkommen und indigene Rechte stärken. Dabei ist entscheidend, die Umsetzung von rechtlich verbindlichen Rahmenwerken für nachhaltige Lieferketten zu garantieren. Denn vielen unserer Alltagsprodukte wie Sojabohnen für Futtermittel, Palmöl für Brotaufstriche und Kosmetik oder Metalle für elektronische Geräte, werden auf indigenem Land an- oder abgebaut.
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