Mit der Trockenheit leben lernen
Wario Guyo Adhe, Programmdirektor der Caritas-Partnerorganisation PACIDA (links),
Wario Guyo Adhe, Programmdirektor der kenianischen Organisation PACIDA, und Wolfgang Fritz, zuständiger Länderreferent bei Caritas international, erklären, wie ein verbessertes Wassermanagement dabei hilft, die Folgen der Trockenheit abzumildern.
Trockenzeiten gehören zum Klima in Ostafrika. Die Menschen haben über Jahrhunderte gelernt, damit zu leben, und Anpassungsstrategien entwickelt. Warum funktionieren diese heute nicht mehr?
Wolfgang Fritz: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat Kenia mit den Klimaphänomenen El Niño und La Niña zu kämpfen. Grob gesprochen geht es dabei um Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur. Sie können dazu führen, dass weniger Feuchtigkeit verdunstet, Regenwolken nicht mehr auf das Festland getrieben werden und Niederschläge in den eigentlichen Regenzeiten ausbleiben. Hinzu kommt, dass die Dürrephasen immer schneller aufeinander folgen oder sogar über Jahre anhalten. Den betroffenen Menschen bleibt kaum Zeit, um sich zu erholen und Vorräte anzulegen. Noch geschwächt von der einen Hungerkrise geraten sie in die nächste.
Was bedeutet eine Dürre ganz konkret für die Menschen in Marsabit?
Wario Guyo Adhe: Marsabit ist eine wüstenähnliche Region, Landwirtschaft ist kaum möglich. Die Menschen hier sind Nomaden und ziehen mit ihren Ziegen, Schafen und Kühen umher. Die Tiere, ihr Fleisch und ihre Milch, sind die Lebensgrundlage der Menschen. Geben die Tiere in den Trockenphasen kaum Milch, magern ab oder sterben gar, verlieren die Nomaden ihre Existenzgrundlage. Eine Notsituation, die auch nach der Trockenheit weiter wirkt, weil meist das Geld fehlt, um neue Tiere zu erwerben. Die Wasserknappheit hat auch soziale Folgen. Auf der Suche nach Wasserstellen und Weidegründen kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nomadenfamilien. Ziehen diese mit ihren Tieren weiter in Richtung Süden, kommt es zu ernsthaften Konflikten mit den dort ansässigen Bauern, weil die Tiere deren Felder zerstören.
Fritz: In Trockenzeiten kommt es zu einer Übernutzung von Wasserreserven, der Grundwasserspiegel sinkt, Wasserstellen trocknen aus. Die Menschen in Marsabit müssen dann oft mehr als 20 Kilometer zurücklegen, um an Wasser zu gelangen. Die langen Wege nehmen viel Zeit in Anspruch. Viele Mädchen –sie sind traditionell für das Wasserholen zuständig –können deshalb nicht mehr zur Schule gehen. Und auch ihr Schulgeld wird für den Kauf von Wasser und Lebensmitteln gebraucht.
Was machen Caritas international und PACIDA, um die Situation zu verbessern?
Adhe: Grundsätzlich versuchen wir das Wasser so lange wie möglich verfügbar zu halten und damit die Trockenzeit zu verkürzen. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort heben wir große Wasserrückhaltebecken aus, manche mit schwerem Gerät, andere mit Hacke und Schaufel. In der Regenzeit füllen sich die Becken mit Niederschlag und Oberflächenwasser, in der Trockenzeit dienen sie als Wasserreservoir für Mensch und Tier. Wir bauen unterirdische Zisternen, die das Wasser vor Verdunstung schützen. Und wir statten dieselbetriebene Tiefbrunnen zusätzlich mit einer Solaranlage aus, damit der Betrieb kostengünstiger und ökologischer laufen kann. Außerdem schulen wir in den Gemeinden so genannte Wasserkomitees, die sich um die Wasserausgabe und die Wartung der Anlagen kümmern. Für kommende Trockenperioden erarbeiten wir gemeinsam mit den Betroffenen Notfallpläne.
Fritz:Trotz aller Anstrengungen im Bereich Wasserinfrastruktur und -management werden hier niemals Bäume blühen. Das wichtigste Ziel ist es, Strategien zu entwickeln, um mit der Trockenheit leben und umgehen zu lernen. Deshalb betreiben wir auch so genanntes Rangeland-Management. Das heißt: In Absprache mit den Menschen vor Ort weisen wir bestimmte Weideflächen für einen definierten Zeitraum als Schutzgebiet aus und säen dort Gras. Sind während einer Trockenphase die übrigen Weidegründe erschöpft, wird für die Nomaden und ihre Tiere ein kontrollierter und gerechter Zugang geschaffen. Mit groß angelegten Impfkampagnen schützen wir die Tiere zusätzlich vor Krankheiten wie der Maul- und Klauenseuche und stärken sie damit auch für zukünftige Trockenphasen.
Das sind Hilfen, die darauf abzielen, die Situation nachhaltig zu verbessern. Aber wie helfen Sie in der akuten Notphase?
Adhe: Wenn das Wasser schlichtweg nicht mehr reicht, versorgen wir die Menschen und ihre Tiere mittels Wassertanklastwagen. Diese Lieferungen sind sehr kostenintensiv und rationiert – jede Familie erhält pro Person 7,5 Liter Wasser am Tag. Zusätzlich verteilen wir Nahrungsmittel: 19 Kilo Mais, vier Kilo Bohnen und zwei Liter Speiseöl pro Haushalt, um die besonders vulnerablen Gruppen wie Kleinkinder, schwangere oder stillende Frauen und alte Menschen zu stärken.
Sind Nothilfe und Wassermanagement nicht eigentlich Aufgaben der kenianischen Regierung?
Fritz: Es gibt staatliche Institutionen, die sich für eine Verbesserung der Wassersituation in Marsabit einsetzen sollten. Allerdings sind sie chronisch unterfinanziert. Ein Zeichen dafür, dass die Lage der Nomaden weit unten auf der politischen Agenda rangiert. Hilfsorganisationen wie PACIDA und Caritas international tun ihr Bestes, um die Versorgungslücken zu stopfen und den betroffenen Menschen zur Seite zu stehen.