Wie helfen Sie in Mali, Baba Diarra?
Herr Diarra, was macht ENDA?
Bei ENDA Mali arbeiten rund 160 Mitarbeitende, die sich in allen Regionen Malis mit zahlreichen Projekten für die Menschen vor Ort einsetzen. Unsere Herzensthemen sind: der Schutz von Kindern, Bildung für junge Menschen, Gesundheitsversorgung und Prävention von Epidemien, humanitäre Hilfe sowie Friedens- und Gemeindearbeit. Wir helfen vor allem Menschen, die besonders stark den aktuellen Notlagen ausgesetzt sind. Weil wir schon seit über drei Jahrzehnten in Mali präsent sind, haben wir gute Beziehungen zu den Menschen. Sie vertrauen uns.
Mali befindet sich derzeit in einer schwierigen Lage. Wie kam es dazu?
Die politische Situation in Mali ist schon seit Langem angespannt. 2012 gab es einen Putsch, der zu Unabhängigkeitskämpfen im Norden Malis führte. Die Regierung versuchte dann, alle Akteure für einen Friedensvertrag an einen Tisch zu bringen. Doch leider gelang dies nicht. Mitte August 2020 und im Mai 2021 kam es erneut zu Aufständen. Seitdem werden immer wieder Anschläge verübt, die oft die Zivilbevölkerung treffen. Die Situation ist instabil und die politische Lage schwierig.
Wie wird der Alltag der Malierinnen und Malier von den Konflikten beeinflusst?
Die politische Lage wirkt sich auf sämtliche Lebensbereiche der Malier_innen aus. Vor allem im Norden ist die Zivilbevölkerung ständig von Angriffen bedroht. Bewaffnete Gruppen überfallen Dörfer, zerstören sie und vertreiben die Bewohner_innen gewaltsam. Manchmal können sie auch bleiben - aber nur unter den Bedingungen der Angreifer. Das bedeutet meistens, dass sie nach ihren Regeln leben und für sie arbeiten müssen. Deswegen fliehen viele Menschen aus ihren Dörfern mit dem Wenigen, das sie mitnehmen können. Die Folge ist eine riesige humanitäre Krise: In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Vertriebenen verdreifacht.
Wie hilft ENDA Mali den Menschen in dieser schlimmen Situation?
Die größten Probleme, denen die Menschen in Mali gegenüberstehen, sind: die angespannte Sicherheitslage, Hunger, Krankheiten und - bedingt durch die Vertreibungen - Obdach- und Arbeitslosigkeit. Genau dort versuchen wir anzusetzen und den Menschen zu helfen. Besonders wichtig ist uns der Schutz von Kindern und Jugendlichen, denn sie sind in der aktuellen Situation stark gefährdet. Ein großer Teil unserer Projekte unterstützt daher Kindern und Jugendlichen.
Wie helfen Sie Kindern konkret?
Ein großes Thema ist die Migration der Kinder vom Land in die Städte. Bereits früher war es ganz normal, dass Kinder ihr Dorf verlassen haben, um für ein paar Jahre in der Stadt Geld zu verdienen. Doch heutzutage lauern unterwegs viele Gefahren für Kinder. Das beginnt auf dem Weg in die Stadt und geht weiter in den Städten selbst. Kinder werden ausgebeutet, missbraucht und als Arbeitskräfte verkauft. Wir wollen daher verhindern, dass sich Kinder auf den Weg in die Stadt machen. Unser Ansatz ist Bildung. Damit können wir die Kinder in den Dörfern behalten. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Einschulung der Kinder. Auch ältere Kinder werden im "Quereinstieg" in die Schule eingegliedert. Hierfür gibt es eine eigene Schulklasse, mit intensivem Unterricht, sodass die Kinder dann in eine höhere Klasse eingegliedert werden können. Der Schulbesuch ist für die Kinder ein guter Grund, in ihrem Dorf zu bleiben.
Wie geht es nach dem Schulabschluss für die Kinder weiter?
Für Jugendliche ab 14 Jahren gibt es dann ein Ausbildungsprogramm. In einer Orientierungsphase lernen sie verschiedene Ausbildungsberufe kennen und treffen mit unserer Beratung eine Berufswahl. Dann beginnt die eigentliche Ausbildung. Wir kooperieren mit Ausbildungswerkstätten - beispielsweise Mechanikerwerkstätten, Färbereien oder Schreinereien. Die Jugendlichen bekommen von uns die gesamte Ausrüstung, die sie für die Ausbildung benötigen und wir begleiten sie während der ganzen Zeit. So profitieren auch die Ausbildungsbetriebe. Die Ausbildungsdauer hängt vom jeweiligen Beruf ab und liegt zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Das Ziel ist, dass die Jugendlichen einen Beruf erlernen, der zu den lokalen Gegebenheiten passt. So gehen sie einer sinnvollen Tätigkeit nach und leisten einen Beitrag zur Gemeinschaft.
Wie schafft ENDA es, dass diese Projekte langfristig Früchte tragen?
Wichtig ist bei all diesen Projekten, dass wir eng mit den Eltern zusammenarbeiten. Sie werden für die Gefahren sensibilisiert, denen Kinder und Jugendliche in den Städten ausgesetzt sind. Außerdem verdeutlichen wir den Eltern, wie wichtig die Bildung ihrer Kinder ist. Nur so kann Bildung gelingen. Darüber hinaus werden auch Gemeindemitglieder, regionale und nationale Behörden einbezogen, die unsere Arbeit weiterführen. So kann das Projekt langfristig Früchte tragen, auch wenn wir nicht mehr vor Ort sind.
Gibt es eine Geschichte aus Ihrer täglichen Arbeit, die Sie sehr berührt hat und die Sie mit uns teilen möchten?
Mir fällt da ein junger Mann ein. Er war selbst Teil eines Projekts von ENDA Mali, bei dem die Jugendlichen über ihre Rechte aufgeklärt wurden. Es ist wichtig, für sie zu wissen, dass sie als Arbeitskräfte viele Rechte haben - zum Beispiel, dass sie regelmäßig eine Pause machen dürfen. Der junge Mann, von dem ich erzähle, war damals 15 Jahre alt, als er am Projekt teilnahm. Er machte anschließend eine Ausbildung. Heute arbeitet er selbst bei ENDA Mali für ein Projekt, das jugendliche Mädchen unterstützt. Er leistet großartige Arbeit und kann die Jugendlichen begeistern und motivieren. Mich berührt es sehr, das zu sehen. Ich denke, jeder hat eine Bestimmung - seine ist es, in der Gemeinschaft etwas beizutragen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Diarra.
Ich danke Ihnen. Und ich danke allen, die unsere Arbeit fördern. Wir sind in Mali sehr dankbar für die Unterstützung aus Deutschland.