Vom Krieg zum Hunger
Die Kornkammern der Welt
Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit größten Exporteuren von Getreide: Vor dem Krieg stammte fast jeder dritte Sack Weizen, der auf dem Weltmarkt verkauft wurde, aus einem der beiden Länder. Neben Mais und Reis ist kein anderes Getreide so wichtig für die Welternährung wie Weizen.
Der Krieg ändert alles
Der Krieg in der Ukraine lässt die Weizenproduktion und -ausfuhr sinken. Die umkämpften Regionen im Süden und Osten der Ukraine zählen zu den wichtigsten Anbaugebieten. Wegen der anhaltenden Angriffe können Bauern nur bedingt Sommerweizen aussäen. Viele kämpfen an der Front, es fehlt an Diesel für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge und auch an Dünger, um den Ertrag zu steigern. Hinzu kam, dass Russland ukrainische Häfen blockierte und Getreideexporte somit unmöglich wurden. Auch die ukrainische Regierung untersagte zeitweise die Ausfuhr von Weizen, um die Ernährung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen.
Die Preise explodieren
Im März 2022 schoss der Weizenpreis auf 533,12 US-Dollar pro Tonne nach oben, noch ein Monat zuvor kostete eine Tonne rund 200 US-Dollar weniger. Die Folgen dieser Preissteigerungen wogen umso schwerer, da Hartweizen auf dem Weltmarkt bereits Ende November 2020 aufgrund von Dürren und der Corona-Pandemie so teuer war wie noch nie.
"Besonders in Ländern, die stark von Lebensmittelimporten abhängig sind, können plötzliche Preisschwankungen als politischer Schock wirken und zu Brotprotesten und Hungerrevolten führen."
Oliver Müller, Leiter von Caritas international.
Seit dem Sommer entspannt sich die Lage auf dem Getreidemarkt wieder. Grund ist eine Übereinkunft zwischen der Ukraine und Russland. Am 22. Juli unterzeichneten die Kriegsgegner unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen, das von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine ermöglichen soll. Doch die Lage ist weiterhin fragil und kann sich jederzeit ändern. Ende Oktober setzte Russland das Abkommen bereits für einige Tage aus.
Dramatische Folgen für ärmere Länder
Vor allem Staaten in Asien und Afrika zählen zu den Abnehmern ukrainischen und russischen Weizens, darunter viele Krisenländer. Somalia etwa bezieht seinen gesamten Weizen aus Russland und der Ukraine, das benachbarte Kenia mehr als 40 Prozent. Die Lieferengpässe und Preissprünge treffen diese Länder Ostafrikas zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, sie sind durch die Corona-Pandemie, eine zurückliegende Heuschreckenplage und eine seit fast zwei Jahren andauernde Dürre extrem geschwächt. Auch das kriegsgeschüttelte Jemen ist abhängig von der russischen und ukrainischen Landwirtschaft: Fast die Hälfte seines Weizens importiert der vorderasiatische Staat aus den beiden Ländern. Schon vor dem Ukraine-Krieg litten 17,4 Millionen Menschen im Jemen Hunger, 2,2 Millionen Kinder galten als unterernährt.
"Steigende Lebensmittelpreise treffen vor allem Menschen in ärmeren Ländern. Sie geben bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel und Trinkwasser aus."
Ole Hengelbrock, Grundsatzreferent bei Caritas international.
Neben den Weizenpreisen steigen auch die Kosten für Düngemittel, da Russland hiervon ein wichtiger Lieferant ist, der Export seit Kriegsbeginn aber immer wieder stockt. Gerade Kleinbauern im globalen Süden, die nur wenig finanzielle Mittel für Dünger und Saatgut einsetzen können, leiden unter dieser Entwicklung. Ihre Ernten werden ohne Dünger sinken, was die verfügbaren Getreidemengen weiter reduzieren und die Preise in die Höhe treiben wird. Die Folge: Hunger.
Auch Hilfe wird teurer
Höhere Preise führen zu weniger Hilfe: Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen musste bereits die Nahrungsmittelrationen für die Menschen in Nordsyrien kürzen, weil dort seit Ende Februar der Preis für Pflanzenöl um 39 Prozent und für Weizenmehl um zehn Prozent gestiegen ist.
Was die Caritas tut:
- Caritas international setzt sich mit ihren Partnern in zahlreichen Projekten für eine gemeinschaftsbasierte, kleinbäuerliche Landwirtschaft ein, die die Menschen unabhängiger vom globalen Geschehen macht.
- Vor allem Frauen müssen beim Aufbau von Genossenschaften und lokalen Versorgungsketten unterstützt werden, die es ihnen ermöglichen, ihre Produkte zu vertreiben.
- Als Caritas setzen wir uns für einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen ein. Dazu gehört ein reduzierter Fleischkonsum, fließt doch ein Großteil der Weizenproduktion in die Viehzucht.