In der Diözese Nakuru werden Kinder mit und ohne Behinderung in einer Schule unterrichtet. Der Schulleiter ist vom inklusiven Ansatz überzeugt, obwohl er dafür keine staatliche Unterstützung erhält. Die Kinder profitieren voneinander - und langsam beginnnt auch bei den lokalen Entscheidern ein Umdenken.
Das liegt nicht zuletzt an den Sozialarbeiter/-innen, die sich für die Integration der Kinder in die kenianische Gesellschaft einsetzen. Um das Recht auf Bildung der jungen Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, werden viele Akteure eingebunden: die Schulen, die Dorfvorsteher, Eltern, Nachbarn, Sonderpädagogen, Jugendämter und Kirchengemeinden.
Alle Kinder lernen in der integrierten Schule Akzeptanz, sie helfen sich gegenseitig. Die Kinder mit Behinderung erfahren Anerkennung – viele sind sehr gut in der Schule. Auch Brenda zählt dazu.Foto: Martina Backes
Der Schulleiter der Grundschule in Karirikania – zwei Stunden Fahrtzeit von der Distrikthauptstadt Nakuru entfernt – zählt die Vorteile der integrierten Schule auf: Die Kinder lernen Akzeptanz, sie helfen sich gegenseitig. 27 Kinder mit Behinderung, die hier seit 2016 in der Schule leben und lernen, erfahren Anerkennung. Viele sind sehr gute und aufgeweckte Schüler und Schülerinnen. Die anderen über 830 Schüler und Schülerinnen verlieren ihre Berührungsängste mit Menschen, die mit einer körperlichen Behinderung leben.
Alle gemeinsam lernen mehr
Werden die Kinder mit Behinderung in einer separaten Sonderschule unterrichtet, sind 200 Euro im Jahr als staatliche Förderung vorgesehen. Für eine integrierte Schule wurde diese Unterstützung bislang nicht freigegeben. Dennoch mag der Schulleiter das integrierte System auf keinen Fall aufgeben: „Die Schule kann bis zu 40 Kinder mit Behinderung in unserem betreuten Kinderwohnheim unterbringen“, erzählt er. Eine Betreuungsperson versorgt, bekocht und pflegt die Kinder, wenn sie einmal krank werden.
Im Rahmen eines Förderprojektes zur Reintegration von Kindern mit körperlicher und geistiger Behinderung der Diözese Nakuru werden derzeit rund 130 Kinder und Jugendliche mit Behinderung in sechs Häusern, den so genannten „Small Homes“, betreut und begleitet. In jedem Small Home leben 20 Kinder und Jugendliche. Sie kommen aus sehr armen Familien.
Über ähnliche Probleme wie in Karirikania berichtet der Schulleiter Elyah Ikanya von der Kiptangwani Primary School for Mentally Challenged Children. Es spricht viel über Stigmatisierung von Behinderten in der Gemeinde, über die Vorteile einer integrierten Schule und über die träge Bürokratie: Auch er hat das Fördergeld, das jedem Kind mit Behinderung zusteht, vor Monaten beantragt. Doch die Behörden schweigen.
Mit rund 75.000 Euro förderte Caritas international den Bau einer neuen Unterbringung, denn das alte Haus in Holz-Lehmbauweise war nicht nur zu eng, sondern auch feucht, von Termiten zerfressen und baufällig. Der Bau der neuen Unterbringung, der im Mai 2015 begann, ist inzwischen abgeschlossen.
Alle Kinder lernen in der integrierten Schule Akzeptanz, sie helfen sich gegenseitig. Brenda gehört zu den besten SchülerinnenFoto: Martina Backes
Integration gemeinsam erwirken
Um die Rechte der Menschen mit Behinderung in der Schule und in der Gemeinde besser zu verankern und die Integration zu erleichtern, hat der Schulleiter ein Komitee einberufen. Mitglieder sind der Priester, die Sonderschullehrerin, der Schulleiter, zwei Elternvertreterinnen von den Kindern mit Behinderung und zwei weitere Eltern von den anderen Schüler/-innen, die Sozialarbeiterin der Erzdiözese Nakuru sowie ein Chief oder Elder aus dem Dorf Kiptangwani. Das Komitee hat Leitlinien erstellt, wie die Schule die Integration realisieren will. Sie denken inklusiv, sie wollen Inklusion mit allen gestalten: An Elternbesuchstagen und in der Kirche sprechen die Mitglieder über die Vorteile der integrierten Schule, klären über Ursachen von Behinderungen und die Rechte der Kinder auf. Sie mobilisieren junge Menschen gegen die armutsbedingte Ausgrenzung der Kinder.
Das Programm der Diözese reicht über die Schulen hinaus. Mobile Beratungsstellen unterstützen Kinder mit besonders schweren Behinderungen, die in den Heimen nicht aufgenommen werden können. Hier werden die Eltern befähigt, ihren Kindern eine adäquate Unterstützung und Förderung zu bieten. Die Sonderschulpädagogen und Sozialarbeiter/innen schulen zudem 150 Eltern in behindertengerechter Erziehung. 450 Lehrer und Verantwortliche werden auf Dorfebene angesprochen, um die Integration und Inklusion der Kinder und Jugendlichen auf Gemeindeebene zu gewährleisten.
Mobile und flexible Unterstützung
Die Ausbildung der Betreuerinnen der Small Homes zielt auf eine professionelle Betreuung. Zugleich tauschen sich die Hausmütter auf gemeinsamen Workshops über ihre Erfahrungen aus. Ferner erhalten 200 Kinder mit Behinderung Unterstützung beim Besuch von speziellen Einrichtungen wie Schulen für Blinde oder Gehörlose. Ein sehbehindertes Mädchen beispielsweise besucht derzeit einen Kurs in Erziehungswissenschaften an der Kenyatta Universität. Damit trägt das Projekt zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels der Vereinten Nationen „Bildung für alle“ bei.
Nach der Schule bemühen sich die Sozialarbeiter/-innen um eine Berufsausbildung der Kinder mit Behinderung. In Handwerksberufen können sich die Jugendlichen selbständig machen, die Diözese unterstützt die ausgebildeten Jugendlichen finanziell beim Aufbau eines eigenen Gewerbes.
Kleine Schritte – große Ziele
Seit Bestehen des Programms konnten mehr als 10.000 Kinder mit Behinderung unterstützt werden. In den vergangenen drei Jahren erhielten 45 junge Menschen eine Ausbildung, 80 Kinder erhielten Mobilitätshilfen, zehn Kinder wurden operiert und 200 Kindern wurde der Besuch einer normalen oder einer spezialisierten Schule ermöglicht.
Integrierter Unterricht an einer Schule in KiptangwaniMartina Backes / Caritas international
Projektpartner vor Ort ist die Erzdiözese Nakuru. Sie hat das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen, wenn es um die Begleitung von Menschen mit besonderem Förderbedarf geht. Derzeit führt die Diözese 15 Programme durch, die über 50 Projekte in den Bereichen Wasser, Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft und Weiterbildung beinhalten. Eines dieser Programme ist das "Small Homes" Programm für behinderte Kinder und Jugendliche.