Martha Anywat präsentiert in ihrer Hand die Menge Holz, die sie für den Energiesparofen benötigt.Foto: Sebastian Haury / Caritas international
Für Martha Anywat ist das Leben leichter geworden, seit sie ihren neuen Ofen hat: "Das wenige Holz, was ich jetzt brauche, kann ich auch in der unmittelbaren Umgebung unseres Hauses suchen", berichtet sie. "Außerdem ist das Essen für die Kinder viel schneller fertig."
Holzsammeln ist im Südsudan Aufgabe der Frauen. Doch das Umfeld im kriegsgeplagten Land ist gefährlich. Häufig werden Frauen und Mädchen beim Holzsammeln Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen. Die im Zentrum für ländliche Entwicklung gebauten Energiesparöfen sind daher mehr als nur ökologisch von Vorteil. "Sie brauchen 60 Prozent weniger Holz als eine herkömmliche Feuerstelle", berichtet uns Sister Gracy, von der Martha Anywat ihren Ofen bekommen hat. Außerdem können die Öfen auch mit Kohle, die auf dem Markt gekauft wird, betrieben werden.
Warum herrscht im Südsudan Gewalt?
Seit 1955 leben die Menschen in jener Region, die heute den Südsudan bildet, fast ununterbrochen im Kriegszustand. Der jüngste Staat der Welt erreichte im Januar 2011 nach einem jahrzehntelangen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans seine Unabhängigkeit. Doch die Kämpfe gingen weiter. 2013 begann ein blutiger Bürgerkrieg um Macht, Einfluss und Ressourcen. Offiziell wurde im Jahr 2018 Frieden geschlossen, die Gewalt flammt aber bis heute immer wieder auf.
Viele Südsudanes_innen sind seit Jahrzehnten auf der Flucht im eigenen Land. Sie können ihre Felder nicht bestellen und die Ernte nicht einholen. Hinzu kommen immer schwierigere klimatische Bedingungen: Die Regenzeit setzt von Jahr zu Jahr später ein, wodurch sich die Anbauzeit für Nahrungsmittel dramatisch verkürzt. Fällt dann endlich der Regen, haben die Menschen häufig mit sintflutartigen Niederschlägen und Überschwemmungen zu kämpfen. Hungersnöte sind die Folge.
Das Zentrum für ländliche Entwicklung
Etwa fünf Kilometer außerhalb von Wau liegt das von Sister Gracy gegründete Zentrum für ländliche Entwicklung. Rund um das Zentrum befindet sich ein riesiges Grundstück mit Gärten und großen Feldern. Zum Zentrum gehört unter anderem eine Schule, in der Kinder lesen und schreiben lernen. Direkt nebenan lernen Erwachsene, wie man ein eigenes Einkommen erwirtschaftet, beispielsweise durch die Herstellung von Seife und Schmuck oder das Schneiderhandwerk.
Da durch den jahrzehntelangen Krieg viel Wissen über Agrartechniken verloren ging, lernen die Menschen im großen Gemeinschaftsgarten des Zentrums und nehmen dieses Wissen wiederum mit in ihre Dörfer – um auch dort die Erträge zu erhöhen. Mit dem Bau von Energiesparöfen hat Sister Gracy weitere Kniffe gefunden, um das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern.
Wer ist Sister Gracy? - Und was macht sie im Südsudan?
Sister Gracy ist eine Ordensschwester aus Indien. 1998 kam sie nach Wau, der zweitgrößten Stadt im heutigen Südsudan. An ihrem Ankunftstag erlebte sie den „Schock ihres
Lebens“, wie sie uns erzählt. Die unfassbare Notlage und Armut der Menschen machten ihr klar: „Bis zu meinem Tod werde ich den Menschen im Südsudan zur Seite stehen, komme was wolle.“
Besonders wichtig ist Sister Gracy die Hilfe für Frauen und Kinder. „Sie sind seit Jahrzehnten Opfer der Gewalt im Südsudan“, erzählt sie uns. „Wenn ich Frauen und Kinder stärke, stärke ich auch die gesamte südsudanesische Gesellschaft." Deshalb hat sie 2014 mithilfe von Caritas international ein Krankenhaus gegründet, das sich auf die Versorgung von Frauen und Kindern spezialisiert. Für viele Menschen im Großraum Wau ist es der einzige Zugang zu medizinischer Versorgung.