Rent an Ox
Ochsenpflüge lassen die Erträge aus der Landwirtschaft bis zu sechsmal höher ausfallen als zuvor.Foto: Sebastian Haury / Caritas international
Der Ochsenpflug ist eine alte Erfindung. Doch im Südsudan wurden Ochsen bislang noch nie zur Arbeit eingesetzt. Um erfolgreich einen Acker bestellen zu können, müssen Ochse und Mensch allerdings gut geschult sein. Es ist also keine Option, einfach Ochsen an die Bevölkerung zu verteilen.
Sister Gracy hatte da eine ziemlich ausgeklügelte Idee: Sie gründete einen Ochsen-Leihservice. Für umgerechnet etwa 9.000 US-Dollar kaufte sie 18 junge Ochsen und ließ sie trainieren, parallel dazu wurden 75 junge Männer im Umgang mit den Tieren geschult. Wenn es an der Zeit ist, die Äcker zu bestellen, ziehen die mittlerweile fertig ausgebildeten Männer in Dreierteams mit Ochse, Pflug und Saatgut von Familie zu Familie und bieten gegen eine moderate Bezahlung ihre Dienste an.
Wer ist Sister Gracy?
Sister Gracy im Gespräch mit zwei Bewohnerinnen WausFoto: Philipp Spalek / Caritas international
Sister Gracy ist eine Ordensschwester aus Indien. 1998 kam sie nach Wau, der zweitgrößten Stadt im heutigen Südsudan. An ihrem Ankunftstag erlebte sie den „Schock ihres Lebens“, wie sie uns erzählt. Die unfassbare Notlage und Armut der Menschen machten ihr klar: „Bis zu meinem Tod werde ich den Menschen im Südsudan zur Seite stehen, komme was wolle.“
Gemeinsam mit den Südsudanes_innen durchlitt sie Krieg, Gewalt, Armut, Krankheiten und Naturkatastrophen. Seit ihrer Ankunft hat Sister Gracy Unglaubliches geleistet. Das Team der von ihr gegründeten Mary Help Association ist inzwischen auf 220 Mitarbeitende angewachsen, sie hat ein Krankenhaus und die erste Hebammenschule des Landes erbaut sowie ein Zentrum für ländliche Entwicklung gegründet. Zehntausende Menschen verdanken der Schwester und ihren Mitstreiter_innen ihr Leben.
Das Zentrum für ländliche Entwicklung
Etwa fünf Kilometer außerhalb von Wau liegt das Zentrum für ländliche Entwicklung. Umgeben ist es von einem riesigen Grundstück mit Gärten und Feldern.
Da durch den jahrzehntelangen Krieg viel Wissen über Agrartechniken verloren ging, lernen die Menschen im großen Gemeinschaftsgarten des Zentrums erfolgreiche Anbaumethoden und nehmen dieses Wissen mit in ihre Dörfer – um auch dort die Erträge zu erhöhen. "Das ist eine win-win-Situation" sagt Sister Gracy über den Ochsen-Leihservice. „Meine 75 Angestellten können von dem Lohn sich und ihre Familien ernähren. Diejenigen, die dieses Angebot annehmen, haben plötzlich eine fünf- bis sechsfach so große Ernte, können Überschüsse auf dem Markt verkaufen und ihre Kinder zur Schule schicken“.
So geht es allen besser und durch den Einsatz von lediglich 9.000 US-Dollar können ganze Dorfgemeinschaften auf Jahre profitieren.
Südsudan - Der jüngste Staat der Welt
Seit 1955 leben die Menschen in jener Region, die heute den Südsudan bildet, fast ohne Unterbrechung im Kriegszustand. Der jüngste Staat der Welt erreichte im Januar 2011 nach einem jahrzehntelangen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans seine Unabhängigkeit. Doch die Kämpfe gingen weiter. 2013 begann ein blutiger Bürgerkrieg um Macht, Einfluss und Ressourcen. Offiziell wurde im Jahr 2018 Frieden geschlossen, die Gewalt flammt aber bis heute immer wieder auf.
Viele Südsudanes_innen sind seit Jahrzehnten auf der Flucht im eigenen Land. Sie können ihre Felder nicht bestellen und die Ernte nicht einholen. Wertvolles Wissen über Agrartechniken ging über die Kriegsgenerationen hinweg verloren. Hinzu kommen immer schwierigere klimatische Bedingungen: Die Regenzeit setzt von Jahr zu Jahr später ein, wodurch sich die Anbauzeit für Nahrungsmittel dramatisch verkürzt. Fällt dann endlich der Regen, haben die Menschen häufig mit sintflutartigen Niederschlägen und Überschwemmungen zu kämpfen. Hungersnöte sind die Folge.