Kinder in Kutupalong
Sumaya findet es schade, dass der Unterricht schon mittags vorbei ist. Am liebsten würde sie den ganzen Tag lernen und mit den anderen Kindern spielen. Sumaya ist sieben Jahre alt. Seit drei Monaten geht sie regelmäßig in das Caritas Learning Center im Flüchtlingscamp Kutupalong. Es ist das erste Mal, dass das Rohingya-Mädchen die Möglichkeit bekommt, eine Bildungsreinrichtung zu besuchen.
"Wenn Unterrichtstag ist", erzählt ihr Vater Mohamed Issa, "ist Sumaya die erste, die wach wird". Die Familie wohnt in einer kleinen, von Plastikplanen abgedeckten Hütte hinter dem Learning Center. Jeden Morgen trifft sich Sumaya mit ihren Freundinnen und läuft die paar Meter zum Unterricht im Caritas-Zentrum. Dort lernen die Kinder Mathematik, Englisch, Burmesisch, Sport, Tanzen und Kunst. Sumaya mag am liebsten Sprach- und Tanzunterricht. Sie kann inzwischen Gedichte auf Englisch und Burmesisch auswendig. Sie würde auch gern die Landessprache Bangla lernen, aber die darf im Camp nicht unterrichtet werden. Das ist offizielle Vorgabe der Behörden. Die Rohingya sind in Bangladesch nur geduldet, bleiben sollen sie nicht.
Auch Sumayas Familie möchte, so schnell es geht, zurück in die Heimat Myanmar. Doch das ist gerade unmöglich. Als muslimische Minderheit werden die Rohingya nachwievor brutal verfolgt. In Kutupalong, dem riesigen Flüchtlingscamp im Südwesten von Bangladesch, wo sehr viele Rohingya leben, ist es jedoch sehr schwierig, Geld zu verdienen und als Familie zu überleben. Sumayas Vater, Mohamed Issa, hatte früher Arbeit im Camp: Er schleppte schwere Lasten und zog Karren durch die engen Straßen. Doch inzwischen hat er Knie- und Rückenschmerzen und kann nur noch leichte Arbeiten wie Bambusschneiden übernehmen. Für seine Kinder wünscht er sich eine bessere Zukunft. Als er sah, wie gerne Sumaya in das Learning Center der Caritas geht und wie gut sie dort lernt, entschied die Familie, auch ihren jüngsten Sohn Mohamed Junein, drei Jahre alt, so schnell wie möglich dorthin zu schicken.
Sharni Barnoi ist Lehrerin im Caritas Learning Center. Sie setzt sich dafür ein, dass die Kinder der geflüchteten Rohingya zumindest eine kleine Perspektive bekommen. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen geht sie durchs Camp und spricht Flüchtlingsfamilien mit Kindern im schulfähigen Alter an. Sumaya sei zunächst etwas schüchtern gewesen, als sie ins Learning Center kam, erzählt Sharni Barnoi. Doch inzwischen kommt sie auch außerhalb der Unterrichtszeiten, um mit den anderen Kindern zu spielen. Im Caritas-Zentrum treffen sich Kinder Kutupalongs, um für kurze Zeit den harten Alltag im Camp zu vergessen.