Flauschige Fluthelfer
Dass Alpakas ihren eigenen Kopf haben, nicht allzu gerne kuscheln, aber trotzdem eine höchst entspannende Wirkung auf ihre Leinenführer haben - all das erfahren Flutbetroffene bei einem Spaziergang mit den südamerikanischen Tieren.
In Unterpreth in der Eifel haben sich an einem Freitagnachmittag im Mai gut ein Dutzend Erwachsene und Kinder auf der Alpakawiese von Julia Samans versammelt. Das Gras ist nass und etwas schlammig, aber die Sorge um die Schuhe weicht schnell der Faszination für die flauschigen Tiere, die sich auf der Wiese tummeln. Etwa fünfzehn Personen haben sich für die Alpakawanderung angemeldet. Zuerst werden die Tiere verteilt: Alle bekommen eines der angeleinten Tiere an die Hand, dann gibt Julia Samans ein paar Instruktionen. Wichtigste Regel: Die Alpakas haben eine ganz strenge Rangordnung. Der Start verläuft daher kurz turbulent, da jedes der Tiere schnellstmöglich auf seinen Platz möchte. Manche Tiergruppen kleben förmlich aneinander, während andere Alpakas auf einmal loshoppeln, um Artgenossen zu überholen. Mit jedem Meter spielt sich das Alpaka-Mensch-Gespann ein wenig mehr ein und nach kurzer Zeit läuft die Gruppe in ihrem ganz eigenen Rhythmus durch den Wald, über sanfte Hügel und vorbei am plätschernden Bach.
Julia Samans gibt immer wieder kurze Hinweise, wenn es zu schnell wird, zum Beispiel: "Einfach loslassen!". Seit zwei Jahren ist sie Lama- und Alpakatherapeutin und kann daher gut beschreiben, was den Entspannungseffekt der Tiere ausmacht. "Man ist durchgehend in der Natur, auch das gleichmäßige Gehen wirkt sich positiv auf die Entspannung aus". Es gibt diverse Studien, die einen positiven Effekt von Lama- und Alpaka-Angeboten bei unterschiedlichen Belastungen und Störungen nachweisen. "Ich denke, dass das Gefühl von Ausgeglichenheit ganz wichtig ist, dass die Teilnehmenden durch die Interaktionen erleben", sagt Julia Samans. "Viele Teilnehmende berichten, dass sie mal ganz rauskommen aus ihrem Alltag, ihren Gedanken und Gefühlen. Man konzentriert sich aufs Tier, ist vollständig im Hier und Jetzt und kann einfach abschalten".
Genau das ist es, was die Caritas den Teilnehmenden, die von der Flutkatastrophe vor knapp zwei Jahren betroffen waren, ermöglichen möchte. In den ersten Wochen nach der Flut hätte es sicher noch keinen Raum für tiertherapeutische Angebote gegeben. Die Betroffenen schufteten oftmals monatelang, für die Verarbeitung der dramatischen Erfahrungen blieb kaum Zeit. Erst viel später begann die Auseinandersetzung mit dem Erlebten - und die Erschöpfung machte sich bemerkbar. So wie bei Gudrun Bank, die die Flut nahe Bad Münstereifel erlebte. Die Einliegerwohnung wurde bei ihr komplett geflutet, das Erdgeschoss war auch noch betroffen. In der Flutnacht räumten sie und ihre Familie unter Hochdruck alles, was sie tragen konnten, in die oberen Stockwerke. Und das war erst der Anfang: Gutachter, Renovierungsarbeiten und Berge von Bürokratie bestimmten in der Folgezeit Gudrun Banks Alltag. Die schwere Last der Flut legte sich buchstäblich auf ihre Schultern. Bei der Mutter von zwei Kindern entwickelte sich aufgrund der Überbelastung eine Schultererkrankung, die sie schwer einschränkte.
Inzwischen geht es Gudrun Bank wieder besser - so gut, dass sie entspannt mit Alpaka Pepsi an der Leine durch den Wald spaziert. "Die Caritas hat von Anfang an viel für die Kinder getan", erzählt sie. "Meine Kinder konnten durch die Caritas dem Alltag entkommen, sie sind klettern gegangen und ins Phantasialand gefahren". Kleine Entspannungsmomente inmitten vom Ausnahmezustand, dafür ist Gudrun Bank der Caritas dankbar. "Es ist schön, dass die Mitarbeitenden an uns denken und sich immer mal wieder melden. So war es auch diesmal. Die Caritas hat bei uns angerufen, nachgefragt und von der Alpakawanderung erzählt. Wir wussten zwar nicht genau, was uns erwartet, aber wir haben uns spontan angemeldet. Und ich finde es sehr erholsam gerade, mit Pepsi durch den Wald zu spazieren!"
Tatsächlich waren die Alpakas selbst von der Flut hautnah betroffen: Sie standen bis zu den Knien im Wasser, als Julia Samson und ihre Familie es schafften, sie spätabends noch zu retten. "Etwas später, und wir wäre nicht mehr hingekommen", erinnert sie sich heute voller Schrecken. Über Nacht konnten die Tiere dann in einem eingezäunten Garten von Nachbarn bleiben, deren Grundstück etwas höher lag. Auch, wenn sich die Tiere heute vermutlich nicht mehr daran erinnern, sind sie treue Begleiter für die Menschen, denen die Erinnerungen an die Flut noch lange im Kopf bleiben werden. "Wir laufen die ganze Zeit am Wasser entlang", erzählt Julia Samson beiläufig. Das sei gar nicht bewusst so geplant, es sei die "ganz normale Runde". Aber vielleicht hilft das konstante und friedliche Plätschern des unschuldigen Bachs den Teilnehmenden auch ein kleines bisschen, wieder Ruhe zu finden und die dramatische Flutnacht hinter sich zu lassen - gemeinsam mit ihren treuen Begleitern an der Leine.