Ihre Fragen zu dem Konflikt in Palästina und Israel
Wie schätzt Caritas international die Lage der Menschen in Gaza ein?
Caritas international begrüßt ausdrücklich die vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Auch wenn seit Inkrafttreten der Waffenruhe täglich durchschnittlich etwa 600 LKW mit internationalen Hilfslieferungen die Bevölkerung in Gaza erreichten, bleibt die humanitäre Lage weiterhin dramatisch. Insgesamt sind nach wie vor rund 2 Mio. Menschen in einem schweren Ausmaß von Hunger, Mangel- und Unterernährung betroffen. Aus diesem Grunde sind wir sehr besorgt, dass seit dem 02. März 2025 erneut die Einfuhr humanitärer Güte unterbunden wird.
Mehr als 92% der Wohnhäuser sind zerstört oder beschädigt; der Gazastreifen liegt in Schutt und Asche. Auch die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, mancherorts teilen sich Hunderte von Menschen eine Toilette oder Dusche, die Gefahr von Seuchen ist groß. Es fehlt an Wasser, Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten, Zelten, Decken und an Schutz vor Kälte und Niederschlag.
Sind Helferinnen und Helfer von Caritas international vor Ort?
Caritas international arbeitet stets nach dem Partnerprinzip, so auch in der aktuellen Situation in Gaza. Zu unseren derzeit tätigen Partnerorganisationen gehören Missionaries of Charity (Mutter Theresa Schwestern), Juzoor und Catholic Relief Services (CRS), mit denen uns eine langjährige Zusammenarbeit verbindet.
Die Mitarbeitenden unserer Partnerorganisationen leben selbst im Krisengebiet und tun ihr Möglichstes, um die Menschen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind, mit dem Nötigsten zu versorgen - darunter auch Menschen mit Behinderung, die nicht evakuiert werden können. Die Mitarbeitenden vor Ort sowie ihre Familien sind dabei selbst unmittelbar betroffen: Sie mussten mehrfach umziehen, die meisten haben Familienmitglieder verloren und sind permanent hohen Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Dennoch arbeiten auf bewundernswerte Weise über 60 Mitarbeitende von CRS sowie über 400 Helfende von Juzoor weiterhin.
Wie sehen die aktuell möglichen Hilfen konkret aus?
Mit ihren Partnerorganisationen in Gaza steht Caritas international täglich im Austausch.
Dank der CRS-Hilfskonvois konnten seit November 2023 trotz erschwertem Zugang in das Krisengebiet dringend benötigte Güter wie Matratzen, Decken, Zelte, Regenplanen sowie Nahrungsmittelpakete zu den Menschen in Gaza gebracht werden. Dazu kommt aktuell ein sehr großer Bedarf an Treibstoff, um Notstromaggregate für Krankhäuser sowie Einrichtungen zur Gesundheitsvorsorge und Wasserversorgung überhaupt betreiben zu können.
Die Mitarbeitenden von CRS haben sich wochenlang auf eine mögliche Waffenruhe vorbereitet. So wurden z.B. die Warenlager in Ägypten und Jordanien entsprechend gut gefüllt.
Insgesamt konnte CRS während der Waffenruhe ca. 200 LKW-Ladungen in den Gazastreifen bringen. Sie betreiben 15 Verteilungspunkte und fünf Lagerhäuser, u.a. in Gaza-Stadt und Khan Younis.
Die Partnerorganisation Juzoor bietet in 90 Unterkunftseinrichtungen sowie fünf Gesundheitszentren medizinische Not- und Grundversorgung, psychologische Hilfe und Nahrungsmittelversorgung für Vertriebene. Außerdem unterstützen sie mit der "Help the Helpers"-Initiative Helfende aus dem Medizinsektor mit psychosozialen Angeboten sowie Gütern des täglichen Bedarfs, um ihren Alltag zu erleichtern und sie bei der Verarbeitung der Erlebnisse im Kriegsgebiet zu betreuen.
Welche Mittel stellt Caritas international für die Hilfen in Gaza zur Verfügung?
Caritas international hatte innerhalb der ersten zwei Wochen 300.000 Euro für Nothilfen in Gaza bereitgestellt. Angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza stockte Caritas international die Hilfen schnell auf. Insgesamt sind bisher fast drei Millionen Euro in die Nothilfe in Gaza geflossen. Aufgrund der humanitären Katastrophe werden weitere finanzielle Mittel dringend benötigt, weshalb Caritas international im Namen ihrer Partner zu weiteren Spenden aufruft.
Was konnte mit den Mitteln von Caritas international bisher bewirkt werden?
Solange es möglich war und die lokalen Märkte funktionierten, wurden Hilfen in Form von Mehrzweckgutscheinen, sogenannten Multi-Purpose-Vouchern, ausgegeben. Diese ermöglichten es Menschen in Not, sich bei lokalen Händlern selbst zu versorgen. Mit den Gutscheinen konnten die Menschen haltbare Lebensmittel (z. B. Mehl, Reis), Hygieneartikel und Haushaltswaren kaufen.
Nachdem die Vorräte im Handel vor Ort aufgebraucht waren und die ersten Grenzöffnungen in Rafah erfolgten, erreichten Hilfskonvois mit Decken, Matratzen, Zelten und Regenschutzplanen die Menschen im Gazastreifen. Außerdem konnten Essenspakete verteilt werden.
Die Hilfe unseres Partners CRS erreichten bisher über 190.000 Haushalte.
Wie stellen Sie sicher, dass Spenden und Hilfsgüter nicht in die Hände der Hamas fallen?
In Gaza stellen wir durch die langjährige Zusammenarbeit mit unseren lokalen und sehr erfahrenen Partnern Missionaries of Charity und Catholic Relief Services (CRS) sicher, dass die Hilfen nicht in die falschen Hände geraten. Wir können dank der Erfahrung sowie der hohen Qualitätsansprüche unserer Partnerorganisationen sicherstellen, dass unsere Hilfen ausschließlich an die notleidende Zivilbevölkerung verteilt werden. Da unsere Partner schon lange in Gaza aktiv sind, verfügen sie über Listen wirklich hilfsbedürftiger Menschen, die sich zuvor registrieren müssen.
Um ein Beispiel zu nennen: Trotz der äußerst angespannten Lage führte unser Partner CRS im Zuge des Qualitätsmanagements eine Überprüfung durch, wie und wofür die verteilten Gutscheine genutzt wurden.
Gerade aufgrund der aufgebauten und immer noch bestehenden Strukturen unserer Partnerorganisationen ist es Caritas international nach Beginn der Waffenruhe möglich, Hilfsgüter aus den Warenlagern in Ägypten und Jordanien nach Gaza zu transportieren und vor Ort direkt an Hilfsbedürftige zu verteilen.
Wie kann die Caritas unter solchen Bedingungen "neutral" bleiben?
Als humanitäre Hilfsorganisation verpflichtet sich Caritas international den humanitären Prinzipien der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit. Unser Auftrag ist es Menschen in Not, gleich welcher Religion, Nationalität oder Herkunft Hilfe zu leisten.
Neutral zu sein, bedeutet nicht, den Entwicklungen gleichgültig gegenüberzustehen. Caritas international zeigt sich angesichts des Terror-Anschlags der Hamas auf israelische Zivilisten entsetzt. Unsere Gedanken sind bei den Menschen und Familien in Israel, die Angehörige verloren haben, Verletzte beklagen müssen oder um Menschen bangen, die von der Terrororganisation Hamas entführt worden sind. Gleichzeitig muss die Versorgung der bedürftigen Menschen in Gaza trotz der Kriegshandlungen sichergestellt werden. Wir fordern deshalb alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und insbesondere die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherzustellen. Caritas international appelliert zudem an die Konfliktparteien, alles für ein dauerhaftes Ende der Gewalt in Israel, Gaza und der Westbank zu tun.
Wie gelangen aktuell die Lieferungen nach Gaza?
Unsere Partner vor Ort können nach wie vor Hilfe leisten, unter extrem gefährlichen und äußerst schwierigen Bedingungen, und leider nicht in dem Umfang, wie wir wollten und könnten. CRS, eine unserer Partnerorganisationen, schafft immer dann, wenn die Grenzen geöffnet sind, LKW-Ladungen mit Hilfsgütern über die verfügbaren Grenzübergänge nach Gaza, unter anderem Nahrungsmittel, Hygieneartikel, aber auch Decken und Planen. Dieser Prozess ist nach wie vor langwierig und beschwerlich, aber es war bis zum 02. März 2025 möglich.