Michael Patrick Kelly zu Gast in seinem Hilfsprojekt in Äthiopien
Michael Patrick Kelly bei der Begrüßung mit einigen Dorfbewohnern.
Es ist Festtag in Erer Woreda, einer kleinen Ansammlung von Bauernhütten im weiten und kargen Osten Äthiopiens. Kinder, Frauen, die jungen Männer sowie die Ältesten haben sich gleich am Eingang der Siedlung neben dem bunten Schild versammelt. Unter dem Namen des Projekts steht dort in großen Buchstaben: „Caritas Germany – Paddy Kelly iniciatives in Ethiopia“. Eben jener Mr. Kelly steigt aus dem Wagen und kommt ruhigen Schrittes auf die Gruppe zu. Er nimmt sich Zeit und begrüßt alle der Versammelten einzeln mit einem landestypischen „Salam“. Es folgen Dankesreden, Übersetzungen, Dankesreden, Übersetzungen, Fotos. Michael Patrick Kelly hört höflich und mit großem Interesse zu, und dennoch scheint es ihm etwas unangenehm zu sein, dass die Gastgeber so ein großes Aufhebens um seine Person machen. „Ich bin nur ein kleines Glied in einer langen Kette der Hilfe“, sagt er. „Wir alle sind eine gemeinsame Familie. Wir sind Schwestern und Brüder, die einander helfen müssen. Die Kraft dafür kommt von oben, vom Himmel.“
Vier Jahre sind vergangen, seit Michael Patrick Kelly in einer Kirche ein Plakat entdeckt hatte. Darin rief Caritas international zur Hilfe für die Betroffenen der Hungersnot in Ostafrika auf. Somalia, Äthiopien und Teile Kenias wurden gerade von einer großen Dürrekatastrophe heimgesucht. Hundertausende verloren ihre Lebensgrundlagen, viele Kinder, ältere oder kranke Menschen starben. Michael Patrick Kelly, der schon lange Zeit zuvor mit der Caritas in Kontakt gestanden hatte, kam spontan die Idee, mit seinen spirituellen „Agape“-Konzerten Geld für den Kampf gegen den Hunger in Ostafrika zu sammeln. In Kooperation mit Caritas international und dem Bonifatiuswerk organisierte der Künstler eine Konzerttournee durch deutsche Kirchen. Pro Ticket spendete Michael Patrick Kelly zehn Euro für den Kampf gegen den Hunger. Mehr als 50.000 Euro kamen während der Tour, die nahezu an allen Orten ausverkauft war, zustande. Mit dem Erlös startete Caritas international mit ihren äthiopischen Partnern ein eigenes Projekt, um mehr als 600 früheren Viehbauern ein Leben ohne Hunger zu ermöglichen.
„Es ist einfach nur verrückt, dass aus dieser kleinen Idee so etwas entstanden ist; und dass ich heute hier stehe und die Früchte dieser Charity-Tour mit eigenen Augen sehen kann“, sagt Michael Patrick sichtlich bewegt. Er geht gemeinsam mit den Bauern durch grüne Felder, an entspannt dreinblickenden Kamelen und grasenden Ziegen vorbei. Michael Patrick lässt sich genau die Funktionsweisen der Bewässerungsanlage erklären, sichtet Werkzeuge und Saatgut und lässt, für alle überraschend, solide landwirtschaftliche Kenntnisse erkennen. Gekonnt pflanzt er ein paar Setzlinge in den lockeren Boden ein und scheint dabei ganz in seinem Element zu sein.
Nur der Blick in die Umgebung der grünen Oase lässt erahnen, dass diese Region regelmäßig von lebensbedrohlichen Dürren geplagt wird. So braun, karg und trist wie da draußen hatte es hier vor wenigen Jahren auch noch ausgesehen. Als die Agraringenieure der Caritas nach einem geeigneten Ort für das Kelly-Projekt suchten, entdeckten sie jedoch, dass unter dem ausgetrockneten Flussbett beständig Wasser fließt. Sie studierten die Bodenbeschaffenheit und die Wasserqualität und bauten ein Bewässerungssystem für fünf Hektar Land.
Das Wasser aus dem Flussbett wird nun in ein großes überirdisches Reservoir gepumpt, das über ein weit verzweigtes Kanalsystem zunächst eine Baumschule für Pflanzensetzlinge bedient und dann in die neu angelegten Gemüse- und Getreidefelder fließt. Die Familien, die für das Projekt ausgewählt wurden, sind eigentlich Viehhirten, konnten durch die zunehmenden Dürren ihren Lebensunterhalt aber nicht mehr bestreiten. Die Caritas Äthiopien stattete sie mit Saatgut, Düngern und den notwendigen Werkzeugen aus, schulte sie in Landwirtschaft und Anbaumethoden und bildete eine Gruppe junger Männer darin aus, die Bewässerungsanlage langfristig instand zu halten. Aus den verarmten Viehhirten ist inzwischen eine landwirtschaftliche Genossenschaft mit mehr als 600 Mitgliedern geworden, die sich völlig ohne fremde Hilfe versorgen und der nächsten Dürre einigermaßen gelassen entgegen blicken kann. Das alles wurde allein durch die 50.000-Euro-Spende aus den Benefizkonzerten ermöglicht.
Gelassen und ungezwungen sind auch die Begegnungen mit den Bauernfamilien, die Michael Patrick Kelly besucht. Trotz der Sprachbarrieren und der langwierigen Übersetzung vom Englischen ins Äthiopische und von dort weiter in die lokale Sprache findet er schnell den Draht zu den Menschen, vor allem natürlich zu den Kindern. Hier zeigt sich, dass Faxenmachen und Grimassenschneiden universeller sind als jede Sprache dieser Welt. Auch wenn sich Michael Patrick bei seinem nächsten Besuch vielleicht schon auf Englisch mit den Kindern unterhalten kann. Da sie nicht mehr für den Lebensunterhalt ihrer Familien aufkommen oder als Nomaden umherziehen müssen, besuchen die meisten von ihnen inzwischen regelmäßig die Schule.
Ganz ohne Wunschzettel wollen die Menschen in Erer Woreda den berühmten Gast aber dann doch nicht zurück nach Deutschland entlassen. Aus den fünf Hektar Land kann man leicht 15 oder 20 Hektar machen. Die darauf angebauten Produkte könnte man gut weiterverarbeiten und verkaufen. Und die bisherige Dieselpumpe wollen sie so bald wie möglich durch ein Solarmodell ersetzen. So viel Pioniergeist und Verkaufstalent lassen Michael Patrick Kelly sichtlich beeindruckt zurück. „Es wird definitiv weitergehen“, sagt er voller Tatendrang am Ende eines auch für ihn unvergesslichen Tages, den Blick aus dem Autofenster auf die unendliche braune äthiopische Steppe gerichtet.
Michael Brücker, Dezember 2015