Die Nachrichten sind alarmierend: Im Sommer 2024 wurden global die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen, das gesamte Jahr wird wahrscheinlich das wärmste der bisherigen Zeiten. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt berichten unsere Partnerorganisationen von Rekordtemperaturen, ausbleibenden Niederschlägen und Extremwetterereignissen in ungekannter Häufigkeit und Intensität. Im Norden Kenias etwa fiel die Regenzeit gleich fünfmal hintereinander aus, was für die dort lebenden Viehnomad_innen existenzbedrohend ist.
Für uns als humanitäres Hilfswerk birgt die Klimakrise enorme Herausforderungen. Sie vervielfacht den Bedarf an humanitärer Hilfe und verstärkt bereits bestehende Konflikte. Es liegt in erster Linie an uns im globalen Norden, Emissionen zu senken und nachhaltig zu wirtschaften.
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Menschen wurden etwa im Jahr 2023 aufgrund extremer Wetterereignisse vertrieben. (Quelle: IDMC-Bericht 2024)
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Hektar neuer Wald müsste angelegt werden, um bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das entspricht etwa der Fläche Russlands. (Quelle: Oxfam)
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Betroffene von Naturkatastrophen erhielten im Jahr 2023 Hilfe von Caritas international. (Quelle: Jahresbericht Caritas international)
Gleichzeitig haben unsere lokalen Partner in ihren Projekten bereits großartige Ansätze gefunden, die zur Bewältigung der Klimakrise beitragen. Es sind keine spektakulären Großprojekte, die es in die Schlagzeilen schaffen, sondern kleine, aber dafür konkrete Maßnahmen. Sie verbessern das Leben jener Menschen, die unter den Folgen der Klimakrise schon jetzt am meisten zu leiden haben.
In Mali und Peru sorgt angepasste Landwirtschaft dafür, dass Erträge klimaschonend steigen und in Bangladesch können durch Katastrophenprävention die negativen Folgen von Wirbelstürmen deutlich verringert werden. Sozialökologische Ansätze bringen klimaschonendes Wirtschaften mit Armutsbekämpfung in Einklang, wie zum Beispiel im Solarthermie-Projekt der Caritas Armenien.
Unsere Projektpartner setzen klimarelevantes Handeln bereits täglich in die Realität um. Bei ihnen handelt es sich genau um jene vorbildlichen Akteur_innen, die Klimaforschende im Blick haben, wenn sie einhellig sagen: Die katastrophale Eskalation der Klimakrise ist noch aufzuhalten, wenn wir jetzt konsequent handeln - und nicht erst morgen.
Humanitäre Hilfe in der Klimakrise
Als humanitäres Hilfswerk können wir die Klimakrise leider nicht stoppen. Aber gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen weltweit können wir einiges tun, um die katastrophalen Folgen für die Menschen in armen Ländern abzumildern.
Überleben sichern
Im akuten Katastrophenfall helfen wir mit einer Vielzahl an Aktivitäten das Überleben der Menschen zu sichern.
Trinkwasser, Nahrungsmittel und Bargeld
helfen akute Notlagen zu überbrücken.
Notunterkünfte
bieten nach Katastrophen ein Dach über dem Kopf.
Psychosoziale Unterstützung
hilft Menschen auch in Extremsituationen handlungsfähig zu bleiben.
Anpassen
Wir unterstützen Menschen auf vielfältige Weise sich an die veränderten Klimabedingungen anzupassen.
Frühwarnsysteme und Schutzgebäude
verbessern die Überlebenschancen bei Naturkatastrophen.
Umsiedlung
von Menschen aus zunehmend unbewohnbaren Regionen
Resistentes Saatgut
sichert die Ernte auch in Dürrezeiten.
Mindern
Wir setzen verstärkt auf klimaschonende und nachhaltige Wege der humanitären Hilfe.
Waldlandbau
sichert durch Pflanzenvielfalt das Einkommen und bindet CO2.
Photovoltaik- und Solarthermieanlagen
erhöhen den Lebensstandard ohne der Umwelt zu schaden.
Lobbyarbeit
verhilft von der Klimakrise betroffenen Menschen zu ihrem Recht.
Stimmen in der Klimakrise
Die Klimakrise und ihre Folgen verändern den Alltag von Millionen Menschen weltweit. Ob Kälteeinbrüche in Peru, Wirbelstürme in Bangladesch oder Dürren in Mali: Hier berichten unsere Partner vor Ort, die diese Extreme erleben – und Wege aus der Krise suchen.
Laura Ramírez
Umwelttechnikerin | Caritas Madre de Dios, Peru
"Die Natur muss unsere Verbündete werden!"
Peru
In Puerto Maldonado, im Südosten Perus, setzt den Menschen die Klimakrise enorm zu. Es kommt häufig zu Kälteeinbrüchen, darauf folgen Hitzeperioden, die den Boden austrocknen. Wenn schließlich Starkregen einsetzt, wird alles überschwemmt, weil der ausgedörrte Boden das Wasser nicht mehr aufnehmen kann. Im vergangenen Jahr gab es 15 Extremwetter-Ereignisse in der Region, früher waren es im Schnitt drei. Weil hier zusätzlich viel Wald gerodet und Gold illegal abgebaut wird, ist das besonders verheerend. Die indigenen Gemeinden und Menschen, die von der Landwirtschaft leben, leiden enorm unter den Veränderungen. Bei Kälte keimt das Saatgut nicht oder die Pflanzen erfrieren. Flutartige Regenfälle schwemmen die Nährstoffe aus den Böden. Das alles wirkt sich negativ auf die Ernte und damit das Leben der Menschen aus.
Wie wir helfen
Die Caritas setzt deshalb auf Waldlandbau. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort pflanzen die Mitarbeitenden Kakaobäume, Mais, Bananenstauden, Ananaspflanzen, Bohnensträucher, Asai-Bäume und vieles mehr. Im Gegensatz zu Monokulturen fördert das den Artenreichtum, stabilisiert den Wasserhaushalt, gibt Schädlingen weniger Raum und schützt den Boden vor Erosion. Gleichzeitig werden die Menschen mit unserem Projekt widerstandsfähiger gegenüber der Klimakrise. Vor allem Kakao und Zitrusfrüchte vermarkten die lokalen Kleinbauern mittlerweile genossenschaftlich und erwirtschaften sich so ein eigenes Einkommen. Andere Früchte essen die Menschen selbst oder verkaufen sie auf den lokalen Märkten. Die Caritas agiert vor allem als Impulsgeber: Die Mitarbeitenden schulen die Bevölkerung im Waldlandbau, beraten die Familien hinsichtlich ihrer Eigentums- und Nutzungsrechte und ermutigen zur Vernetzung innerhalb der Gemeinden. Denn eines ist klar: Es müssen noch mehr Menschen sich der Klimakrise bewusst werden, damit es vorwärts geht.
Emmanuel Nestor Konè
Leiter | Caritas Diözese San, Mali
"Die Klimakrise ist eine von vielen Krisen."
Mali
Die Menschen in Mali erleben momentan eine nie dagewesene politische und humanitäre Krise. Auf Grund von Terrorangriffen und der politischen Instabilität herrscht im ganzen Land der Ausnahmezustand. Es handelt sich dabei um ,Stapel-Krisen‘, denn die Auswirkungen des Klimawandels kommen noch hinzu: In Mali werden Temperaturen von über 45 Grad Celsius gemessen, die extremen Dürreperioden und die erodierten Böden führen zu massiven Ernteausfällen. Die Menschen leiden Hunger. Für diese multiplen Krisen braucht es jetzt gemeinschaftliche und vielfältige Lösungen.
Wie wir helfen
Ein Projekt der Caritas in der Diözese San unterstützt die Bewohner_innen bei der Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Zusammen mit den Menschen vor Ort haben die Caritas-Mitarbeitenden dürreresistentes Saatgut produziert und auf die Felder gebracht. Mit kleinen Staudämmen sammeln sie Oberflächenwasser und haben ein System aus Erdwällen und Wasserbecken entwickelt, mit dem das Abschwemmen der Erde verhindert wird. So können die Gemüsefelder weiter bewässert werden. Außerdem legen die Gemeindemitglieder und Landwirt_innen in einer genossenschaftlichen Vereinigung große Vorratsspeicher für gute Erntephasen an, um Vorsorge für Ernährungsengpässe zu treffen. Caritas-Mitarbeitende geben Schulungen zu Landrechten, Umweltbildung und allgemein den Auswirkungen der Klimakrise. Der Klimawandel ist unumkehrbar und trifft die ohnehin Schwächsten und Ärmsten am meisten. Deshalb müssen gemeinsam nachhaltige Antworten gefunden werden, besonders was die Ernährungssicherheit betrifft.
Albino Nath
Katastrophenmanager | Caritas Khulna, Bangladesch
"Der Klimakrise halten wir nur gemeinsam stand!"
Bangladesch
In Khulna, im Südwesten von Bangladesch, sind die Menschen massiv von der Klimakrise betroffen. Vor 15 Jahren gab es noch alle zwei bis drei Jahre einen Zyklon – heute muss die Bevölkerung mit bis zu vier Wirbelstürmen im Jahr rechnen. Die Zerstörung ist jedes Mal immens. Wenn außerdem der Meeresspiegel weiter steigt, wird es die Küstenregion bald nicht mehr geben. Dann droht ein Fünftel von Bangladesch dauerhaft überflutet zu werden.
Wie wir helfen
Damit die Menschen in Khulna verstehen, was vor sich geht, klären Albino Nath und sein Team der Caritas in Schulungen und Workshops über die Folgen des Klimawandels auf. Außerdem haben sie Katastrophenschutz-Teams gegründet, die im Falle eines Zyklons die Bevölkerung frühzeitig über Lautsprecherdurchsagen und Flaggen warnen und wenn notwendig evakuieren. Darüber hinaus hat die Caritas mehr als hundert Schutzräume gebaut, die die Menschen im Katastrophenfall aufsuchen können. Die wiederkehrenden Überschwemmungen zerstören regelmäßig wichtige Infrastruktur und versalzen Süßwasserquellen. Trinkwasser ist deshalb oft Mangelware. Deshalb baut die Caritas Khulna sturmsichere Häuser, Dämme und Latrinen.
Armen Martirosyan
Experte für erneuerbare Energien | Caritas Armenien
"Wir nutzen Sonnenenergie zum Wohl der Familien und des Klimas."
Armenien
Im Norden Armeniens haben die Menschen kaum Möglichkeiten, ihre Häuser zu heizen oder zu kochen. Die Region ist im Winter braunes Land. Die Bäume sind schon vor langer Zeit abgeholzt worden. Es gibt fast kein Feuerholz zum Sammeln, und es zu kaufen, können sich die meisten nicht leisten. Deswegen verfeuern viele Bewohner des armenischen Nordens Kuhdung. Doch selbst den müssen sie kaufen. Um über den Winter zu kommen, muss eine siebenköpfige Familie für umgerechnet 750 Euro Kuhdung kaufen, größeren Familien müssen bis zu 1.200 Euro aufwenden. Das ist für viele Familien schwer zu leisten, beträgt eine solche Summe doch für bedürftige Haushalte mehr als 20 Prozent des Jahreseinkommens. Zudem macht der Rauch krank und produziert viel CO2.
Wie wir helfen
In Armenien verbindet die Caritas Klimaschutz mit Armutsbekämpfung. Denn so karg die Natur auch ist, so gibt es doch eines im Überfluss: Sonnenlicht. „Wir haben hier ungefähr 300 Sonnentage im Jahr“, berichtet Armen Martyrosyan, Experte für erneuerbare Energien bei der Caritas Armenien. Deshalb haben er und sein Team in 340 Haushalten Solarthermie oder Photovoltaikanlagen installiert. Damit kann die Sonnenenergie Wasser erhitzen oder Strom produzieren, den die Familien sonst ebenfalls für viel Geld einkaufen müssten. Die Familien nutzen das Wasser zum Kochen und Waschen und müssen um ein Vielfaches weniger an Kuhdung verheizen.
Zusätzlich schult die Caritas Armenien die Familien darin, effizienter mit der Wärme umzugehen und unterstützt sie dabei, die Häuser so abzudichten, dass weniger Wärme verlorengeht. So müssen die Familien weniger heizen und sparen zusätzlich Geld und Kohlendioxid ein. Einige Bewohner der Region können sich außerdem energietechnisch ausbilden lassen und dadurch neue Berufe ergreifen, mit denen sie ihre Familien besser versorgen können. Sie installieren und warten die Anlagen und tragen Sorge dafür, dass sie lange halten.
Erfahren Sie mehr über lokale Ansätze, Umstrukturierungen und Grenzen der humanitäre Hilfe in der Klimakrise in unserer Im Fokus-Broschüre.