Wieso gibt es Kinderarbeit und was können wir dagegen tun?
Zeit zum Spielen, in die Schule zu gehen oder einfach unbeschwert zu sein haben sie nicht. Weltweit müssen 218 Millionen Kinder und Jugendliche arbeiten, um etwas zum Familieneinkommen beizutragen. Von ihnen arbeiten rund 160 Millionen Mädchen und Jungen – fast jedes zehnte Kind auf der Welt – so schwer, dass sie ihrer Rechte auf eine bessere Zukunft beraubt werden. Weil sie nicht zur Schule gehen können, bleiben ihnen später die Jobs verwehrt, in denen sie mehr Geld verdienen könnten.
Als wäre das nicht genug, arbeiten viele Kinder unter gefährlichen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Ausbeuterische Kinderarbeit ist international verboten und umfasst laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Formen von Zwangsarbeit und Sklaverei, Missbrauch und alle anderen Arbeiten, die die Gesundheit, Sicherheit oder psychische Entwicklung von Kindern gefährden.
In welchen Bereichen arbeiten die meisten Kinder?
Die meisten Kinder arbeiten in der Landwirtschaft (71 Prozent), in Fabriken der Industrie (12 Prozent), im Servicebereich (17 Prozent) – zum Beispiel als Schuhputzer, oder schuften in Bergwerken. Doch oft wird Kinderarbeit gar nicht erfasst. So ist die Dunkelziffer bei solchen Kindern und Jugendlichen besonders hoch, die als Dienstboten in privaten Haushalten arbeiten. Viele sammeln zudem Müll oder zerkleinern im Steinbruch Marmor und Granit. Andere werden in die Prostitution gezwungen oder schlagen sich mit Drogenhandel durch.
Die Bedingungen sind extrem hart. Auf Tabak-, Kaffee- und Kakaoplantagen kommen sie mit giftigen Chemikalien in Kontakt und müssen stundenlang in gebückter Haltung in der prallen Sonne aushalten. In den engen und ungesicherten Stollen in Bergwerken und Minen sind die Temperaturen unerträglich heiß und die Luft kaum einzuatmen vor lauter Staub und Schwefel. In Steinbrüchen zerkleinern die Jungen und Mädchen mit Presslufthammern Steine und atmen täglich so viel Staub ein, dass ihre Atemwege darunter leiden.
Sie sind darüber hinaus extrem anfällig dafür, Opfer von Menschenhandel oder Missbrauch zu werden, da sie häufig weit von ihrem Zuhause entfernt arbeiten und oft allein unterwegs sind.
Keine Zeit für Bildung
Auch ihre mangelnde Bildung trägt zu ihrer Misere bei. Denn Zeit zur Schule zu gehen, haben die meisten Kinderarbeiter nicht. Oder aber sie sind von der Arbeit so erschöpft, dass sie die Schule abbrechen, da sie kaum mitkommen und ihnen die Zeit zum Lernen fehlt. So entwickelt sich eine Abwärtsspirale der Armut. Waren die Eltern schon zu arm, um sich eine Schulbildung für ihre Kinder zu leisten, haben die Jungen und Mädchen ohne Ausbildung auch in Zukunft schlechte Chancen, eine gut bezahlte Arbeit zu finden.
Welche Gründe für Kinderarbeit gibt es?
Die Hauptursache für Kinderarbeit ist Armut. Verstärkt wird Kinderarbeit durch Naturkatastrophen und Kriege, die oft ganze Ernten und Häuser, sprich die Lebensgrundlagen der ohnehin schon schwächsten Familien zerstören. Dazu trägt auch der Klimawandel seinen Teil bei: Wetterextreme wie Dürren und Starkregen mit Überschwemmungen treten häufiger auf und führen dazu, dass Kinder länger und härter arbeiten oder noch mehr ausbeuterische und gesundheitsschädliche Arbeiten verrichten müssen. Auch ökonomische Krisen, wie in Venezuela, mit steigenden Lebensmittelpreisen sind begünstigende Faktoren für Kinderarbeit.
Zeit, um an der Zukunft zu arbeiten, nicht in Fabriken
Angesichts der dramatischen Zahlen von arbeitenden Jungen und Mädchen setzt sich Caritas international dafür ein, die Ursachen zu bekämpfen: Oft ist es die Einstellung der Eltern, die die Kinder von einem Schulbesuch abhält, da sie ohne die zusätzliche Einkommensquelle nicht über die Runden kommen. Gemeinsam mit unseren lokalen Partnerorganisationen führen wir daher zum Beispiel in Nepal intensive Gespräche mit den Erziehungsberechtigten, um sie davon zu überzeugen, ihrer Tochter eine langfristig sinnvolle Schulbildung zu ermöglichen, statt sie schnellstmöglich zu verheiraten.
Doch die Überzeugungsarbeit reicht nicht: Die Familien benötigen direkte Unterstützung und finanzielle Entlastung. Oft sind es die Kinder der ärmsten Familien, die arbeiten statt lernen müssen oder Reißaus von zuhause nehmen, um sich ein eigenes Auskommen zu verdienen. Darum werden in vielen Projekten Maßnahmen integriert, mit denen sich Familien einen Lohn erwirtschaften können (sogenannte Cash-for-Work-Programme). Caritas international unterstützt die Schwächsten der Gesellschaft zudem mit Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln, medizinischer Hilfe und vielem mehr.
Im nächsten Schritt versucht Caritas international mit Unterstützung ihrer lokalen Partner so viele Kinder wie möglich zurück in die Schule zu bringen. Mit Nachhilfeunterricht, der auf den regulären Unterricht vorbereitet und der Bereitstellung von Schulbussen, die die Kinder zu den oft weit entfernten Schulen bringt.
So zum Beispiel in:
- NEPAL. Gemeinsam mit Child Nepal stellt Caritas international die Weichen für die Zukunft der Kinder im Distrikt Sindhupalchok in Nepal. Statt zu arbeiten oder früh verheiratet zu werden, sollen die Mädchen und Jungen die Schule besuchen und abschließen können.
- INDIEN. Im Nordosten verdienen viele Menschen als Steinbrecher ihren Unterhalt. Rund ein Drittel von ihnen sind Kinder unter 14 Jahren. Caritas bietet ihnen Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten.
- BANGLADESCH: Caritas Bangladesch unterstützt in Dhaka und Rajshah Straßenkinder und setzt sich für ihre Bildung, Versorgung, Förderung und Anerkennung ein.
- PAKISTAN: Nur wenn der Schulbesuch mit der Arbeit kompatibel ist, erlauben viele Eltern ihren Kindern den Schulbesuch. Mit der Errichtung von Bildungszentren können die Kinder von Ziegelarbeitern oft zum ersten Mal in ihrem Lebeneine Schule besuchen und damit den Teufelskreis von Leibeigenschaft, Armut und Analphabetismus durchbrechen. Um die Situation für die Eltern zu erleichtern, werden Einkommensalternativen geschaffen.
- UKRAINE. In der Stadt Donezk finden Straßenkinder Schutz und Obdach. Pädagogische Arbeit schafft Perspektiven für die Betroffenen - jenseits der Straße.
- SÜDAFRIKA: Straßenkinder in Kapstadt lernen dank der Jugendsozialarbeit, nach anderen Regeln zu leben als nach denen der Straße. Eine Ausbildung wird zur Basis für neue Perspektiven.
Sollte Kinderarbeit generell verboten werden?
Alles verbieten? Eigentlich ja. Denn eine Welt ohne Kinderarbeit ist zweifelsohne wünschenswert.
Aber was ist mit dem Jungen, der Teppiche webt, damit zum Familieneinkommen beiträgt und jeden Tag nach drei Stunden in der Manufaktur in die Schule geht. Soll Kindern wie ihm die Arbeit rundum verboten werden? Nein. Denn würde alle Kinderarbeit heute verboten, so wäre die Konsequenz, Millionen Kinder in die Illegalität zu treiben – und häufig in noch größere Armut und Abhängigkeit. Wenn Kinderarbeit zum Familieneinkommen beiträgt und die Kinder trotz Arbeit auch die Schule besuchen, ist es gut, genauer hinzusehen.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO und die Kinderrechtskonvention haben rechtlich festgelegt, wann Kinderarbeit die Entwicklung und die Würde des Kindes verletzt und Menschenrechte missachtet.
Das ist wichtig, um Kinder vor jeglicher Form von Ausbeutung, Sklaverei, Schuldknechtschaft, Zwangsarbeit, Nachtarbeit und vor gesundheitsschädlichen Auswirkungen zu schützen. Zugleich sind die Lebensumstände, in denen die Kinder und ihre Familien leben, ein wichtiger Rahmen, um zu beurteilen, welche Formen von Arbeit für Kinder akzeptabel sind - und welche nicht. Das Recht der Kinder auf Bildung zum Beispiel darf nicht verletzt werden.
Auf eine vereinfachte Definition von Kinderarbeit, die nicht akzeptabel ist, haben sich eine Reihe von Hilfswerken geeinigt: „Eine Person unter 14 Jahren, die nicht in die Schule gehen darf, weil sie arbeiten muss.“