
Ein Beitrag von Philippe Bernard Mawanga
Klinischer Psychologe bei Caritas Kananga, DR Kongo
03. März 2025 / Lesedauer: 3 Minuten
Infolge eines Gewaltkonflikts (2016/2017) im Umkreis der Provinzhauptstadt Kananga wurden tausende Menschen ermordet und systematisch Frauen und Kinder vergewaltigt. Bis heute sind die Traumatisierungen der Menschen spürbar und beeinflussen ihr tägliches Leben. Viele Frauen leben allein, da sie ihre Männer verloren haben. Sie sind allein dafür verantwortlich, ihre Familien zu ernähren. Da die Region von Landwirtschaft lebt und diese infolge des Gewaltkonflikts ausblieb, kam es zu einer schweren Hungerkrise. Hier erzählen wir die Geschichte der Farm Kumpala - ein Ort der Gemeinschaft, an dem sich tatkräftige Frauen zusammengeschlossen haben, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Herr Mawanga, was ist Ihre Aufgabe als Psychologe bei der Caritas Kananga?
Mawanga: Ich arbeite mit Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Zusammen mit meinem Team helfen wir den Frauen, ihre erlebten Traumata zu verarbeiten. Wir betreuen sie, damit sie wieder ihre vollen Kräfte erlangen.
Die psychologische Arbeit stellt die Frauen, die Gewalt erlebt haben, und ihre Erlebnisse in den Mittelpunkt. Uns ist es ein großes Anliegen, dass die Frauen nicht allein sind. Wir bilden deswegen auch Assistenzen als Multiplikatorinnen für unsere psychologischen Hilfen aus, damit die Arbeit sich weiterträgt. Außerdem bilden wir Hebammen und Krankenschwestern aus. Wir sind ein multiprofessionelles Team. Unser Projekt hat 2019 gestartet. Seitdem haben wir 56 Assistenzen ausgebildet und Hunderten Frauen geholfen.
In welcher Situation befinden sich die Frauen in Kananga?
Mawanga: 2017 gab es hier einen furchtbaren Gewaltkonflikt. Dabei wurde sexuelle Gewalt systematisch von Konfliktparteien eingesetzt. Hier in Kananga teilen sehr viele Frauen dieses Schicksal. Auch, wenn seitdem einige Jahre vergangen sind - es gibt viele Frauen, die noch nie über das Erlebte geredet haben. Aufgrund gesellschaftlicher Tabus und fehlender Unterstützung fühlen sich viele Frauen beschämt und isoliert. Die Frauen sollen lernen, dass sie keine Schuld tragen. Wenn sie die Tat verdrängen, kann das dazu führen, dass sie sich der Tat und den Erinnerungen daran bis heute ausgeliefert fühlen. Ein wichtiger Teil der Therapie ist der Austausch von Betroffenen untereinander.
Wie läuft die Therapie ab? Und wie sieht dieser Austausch aus?
Mawanga: Zuerst einmal arbeiten wir aufsuchend, das heißt wir gehen zu den Frauen und besuchen sie in ihren Gemeinschaften. Oft ist die Hürde, Hilfsangebote aktiv aufzusuchen, zu groß für die Betroffenen. Vor Ort bieten wir Gruppen- und Einzelgespräche in geschützten Räumen an. Darüber hinaus organisieren wir Selbsthilfegruppen.
In den Selbsthilfegruppen arbeiten wir mit Frauen zusammen, die selbst einst von Gewalt betroffen waren. Dadurch sehen die Betroffenen andere Frauen, denen das gleiche passiert ist, und die es geschafft haben, ihr Trauma zu überwinden. Die Tat war nicht das Ende ihres Lebens, ihre Situation ist nicht das Ende. Die Frauen sollen durch unsere Arbeit die Möglichkeit bekommen, ihr Leben wieder selbstbestimmt aufzunehmen, weiterzumachen und weiterzuleben. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann ihnen unheimlich viel Stärke geben, die Schuld nicht mehr bei sich zu suchen und irgendwann wieder nach vorne zu schauen.
Deswegen arbeite ich auch nie allein als männlicher Psychologe. Manche Frauen möchten lieber mit einer anderen Frau sprechen oder mit einer Betroffenen, die selbst ähnliches erlebt hat. Jede Frau darf frei entscheiden, mit wem sie reden möchte und mit wem nicht. Wir finden immer eine Lösung, mit der sich die Betroffenen wohlfühlen. Das hat oberste Priorität.
Das Interview führte Elisa Schinke.
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