Biafra: 50 Jahre nach dem größten Hilfseinsatz
Die größte humanitäre Hilfsaktion
Die von der Zentralregierung Nigerias verhängte Blockade gegen die kleine Region Biafra löste eine dramatische Hungersnot aus und machte die eingeschlossenen Zivilbevölkerung - ca. 13 Mio. Menschen - von humanitärer Hilfe abhängig. Kirchliche Hilfswerke organisierten daraufhin die bis dahin umfassendste humanitäre Hilfsaktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Über mehr als zwei Jahre wurden im Rahmen der "Operation Biafra" Hilfsgüter zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung über eine Luftbrücke nach Biafra geflogen - vergleichbar mit der Berliner Luftbrücke. Dazu schlossen sich 25 Hilfswerke zur Joint Church Aid (JCA) zusammen, mit großer Beteiligung der deutschen Hilfswerke Caritas und Diakonisches Werk.
Dilemmata und Herausforderungen der Hilfe
Zugleich wurde die "Operation-Biafra" zu einem Beispiel für die Zwickmühlen der humanitären Hilfe. Sie stellte die Hilfsgemeinschaft vor unlösbare Dilemmata, beispielweise in Bezug auf einseitige Parteinahme für die biafranische Bevölkerung oder Kriegsverlängerung durch Hilfsmaßnahmen. Der Biafra-Krieg prägt bis heute maßgeblich die Geschichte und Entwicklung der humanitären Hilfe.
Humanitäre Hilfe soll neutral, unparteilich und unabhängig sein. Doch wie ist das in Gewaltkonflikten möglich? Wie sollte die Arbeit der Hilfsorganisationen unpolitisch bleiben, wenn die nigerianischen Streitkräfte das Aushungern der eingeschlossenen Bevölkerung Biafras als Kriegswaffe einsetzten? Humanitäre Hilfe bekam automatisch eine politische Dimension. Eine Zwickmühle für Hilfsorganisationen: Leisteten sie Hilfe, wurde ihnen Parteinahme vorgeworfen. Blieben sie aus Furcht vor politischer Vereinnahmung untätig, wurden sie ihrem humanitären Auftrag nicht gerecht.
Bis heute wird der Vorwurf aufrechterhalten, die kirchliche Nothilfe habe den Krieg verlängert. Hätte Biafra früher kapituliert, wenn Hilfsorganisationen die Blockade nicht via Luftbrücke durchbrochen hätten? Für die Lieferung militärischer Güter mag dies auf der Hand liegen, aber gilt das auch für die Lieferung von humanitären Hilfsgütern? Was hätten Caritas, Diakonie und weitere Hilfsorganisationen stattdessen tun sollen? Tatenlos zusehen? Die Menschen verhungern lassen? Abschließend beantworten lassen sich diese Fragen nicht.